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Krankheitslehre des sozialen
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Vorbemerkung. Im ersten Bande dieses Werkes, und zwar speziell auf Seite 15 bis 42 und dann auf Seite 148 bis 160 sind die Gründe genannt, welche mich bestimmen, an die Nationalökonomie oder politische Oekonomie oder Volkswirtschaftslehre als „Wissenschaft“ folgende drei Anforderungen zu stellen: 1. Diese Wissenschaft hat vor allem dem praktischen Bedürfnis des ökonomischen Volkslebens zu dienen, indem sie mit der Fackel der Erkenntnis der politischen Praxis voranleuchtet 2. auch das heute so nötige neue System der politischen Oekonomie aus der Summe der ökonomischen Konsequenzen unserer Zeitverhältnisse abzuleiten und 3. weil die neuzeitliche Entwicklung unserer wirtschaftlichen Verhältnisse das Leben unseres Volkes immer ernster bedroht und weil das wissenschaftliche Reformprogramm unter Ausscheidung der „gesunden“ und „kranken“ Entwicklungstendenzen der Gegenwart abgeleitet sein will — neben der genauen Kenntnis der heutigen wirtschaftlichen Verhältnisse das Studium an den Völkerleichen, welche auf dem Seziertisch der Geschichte liegen, als weitaus wichtigste Unterlage zur wissenschaftlichen Förderung unserer ökonomischen Erkenntnis zu benutzen. Mit diesen Sätzen wird die Nationalökonomie
aus einer „Lehre von den volkswirtschaftlichen
Erscheinungen“ — wie bisher — zu einer
„Lehre vom gesunden und kranken
Volkskörper“ und die sogenannte
„spezielle oder praktische Volkswirt Auch dogmengeschichtlich erscheint diese veränderte Auffassung der Nationalökonomie durchaus gerechtfertigt. All unsere grossen durchgreifenden neuen Systeme der politischen Oekonomie waren von der ausgesprochenen Absicht getragen, die ökonomischen Misstände ihrer Zeit zu beseitigen, wie im ersten Bande dieses Werkes eingehend nachgewiesen wurde. Es sind immer und zu allen Zeiten die kleinen Geister, die Materialsammler, die Kleinigkeitskrämer gewesen, welche nur über „kleine Mittel“ verfügten und behaupteten, die jeweils herrschenden ökonomischen Misstände nicht „heilen“, sondern nur „lindern“ zu können. Wie die Medizin als „Heilkunde für den kranken Menschen“ mit jedem weiteren wissenschaftlichen Fortschritt gelernt hat, früher unheilbare Erkrankungen zu „heilen“ und nicht bloss zu „lindern“, so wächst auch in der Volkswirtschaftslehre als „Heilkunde des kranken Volkskörpers“ die Heilkunst mit dem Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntnis. Wenn also gewisse Nationalökonomen immer noch betonen zu müssen glauben, dass sie eine völlige Heilung unserer volkswirtschaftlichen Misstände als „utopisch“ bezeichnen, so beweist diese Behauptung nur die wissenschaftliche Rückständigkeit der volkswirtschaftlichen Einsicht ihrer Vertreter. Die heute herrschende Schule der Nationalökonomie
gefällt sich zwar unter der Führung von
Gustav Schmoller in der Erzeugung einer
gewaltigen Masse von historischen Monographien, welche
als Leistungen der „reinen“,
„voraussetzungslosen“ Wissenschaft, ohne
Beziehung zu irgend einem praktisch-politischen Zwecke
geschrieben sind. Schon im ersten Bande dieses Werkes
wurde aber darauf hingewiesen, dass diese Autoren die
doch beachtenswerte Tatsache übersehen, dass ein
„Haufen Baumaterialien“ noch
„kein Haus“ ist, in dem Menschen
wohnen können. Inzwischen hat kein geringerer als
Friedrich Paulsen auf die
„Gefahren des Historismus“ an den
deutschen Universitäten hingewiesen. Paulsen
verlangt von denjenigen, „welche als Lehrer und
Leiter geisteswissenschaftlicher Studien wirken, dass sie
für ihre Person von dem Trieb zum
Wesentlichen, Wichtigen und
Lebendigen Diese nur zu sehr berechtigte Mahnung Paulsens wird bestätigt durch eine eigenartige internationale Literatur aus neuester Zeit, welche die Entwicklungsgeschichte der Völker fragt: was die Politik der Gegenwart im Interesse einer besseren Zukunft zu tun und zu lassen habe? So sprach Professor Fahlbeck (Lund) auf der X. Versammlung des internationalen statistischen Instituts in London (1905) über den „Niedergang und Untergang der Völker“ und zeigte an der Hand umfassender statistischer Materialien, dass die heute höchst entwickelten Kulturvölker ihre physische Lebenskraft zu verlieren scheinen. Zu nicht minder pessimistischem Urteile kommt der Amerikaner Brooks Adams dessen Buch „Das Gesetz der Zivilisation und des Verfalles“ inzwischen in deutscher und französischer Uebersetzung erschienen ist und dem der derzeitige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika Theodore Roosevelt eine ebenso eingehende wie interessante Besprechung gewidmet hat. In der bekannten englischen Zeitschrift „The Nineteenth Century“ veröffentlichte Ellis Barker, unter Benutzung von Studien über die „Nemesis der Völker“ eine Abhandlung über die „Zukunft von Grossbritannien“ mit einem recht einschneidenden agrarischen Reformprogramm. Etwa gleichzeitig wurde in den preussischen Jahrbüchern das zweibändige Werk von Charles Sarolea „Essais de Literature et de Politique“ mit viel Wohlwollen besprochen. Schliesslich ist diese Methode ja schon von Machiavelli und sogar schon von Aristoteles angewendet worden. Der 2. Band dieses Werkes und die hier folgenden Ausführungen befinden sich also in guter Gesellschaft. Bedarf die Hinneigung zur
naturwissenschaftlichen Methode hier noch einer
besonderen Begründung? —
Naturwissenschaftliche und speziell medizinische Begriffe
sind in der nationalökonomischen Literatur mehr und
mehr eingebürgert, seitdem der Leibchirurg Ludwigs
XV. Francois Quesnay uns das System des
Physiokratismus geschenkt hat. Dann wussten
St. Simon und Aug. Comte ihre
Folgerungen aus der Auffassung der Gesellschaft als
„Organismus“ zu ziehen und die Jedenfalls kann die Geschichte der Medizin, wie sie
aus den Werken von Prof. Pagel: „Zur
Einführung in die Geschichte der Medizin“
(1898), „Grundriss zu einem System der
medizinischen Kulturgeschichte“ (1905) Neuburger
und Pagel „Handbuch der Geschichte der
Medizin“ (1875—1896) uns entgegentritt, zu
diesem Fortschritt in der Auffassung der
Volkswirtschaftslehre nur ermutigen. Der bahnbrechende
Einfluss, den Virchow auf die moderne
medizinische Wissenschaft ausgeübt hat, liegt nach
diesen Ausführungen hauptsächlich darin
begründet, dass er an Stelle der
überwiegenden Anatomie und Physiologie die
Pathologie als Physiologie der kranken Menschen auf dem
festen Unterbau der pathologischen Anatomie
begründet hat. Auch Virchow ging dabei von
dem „praktischen Bedürfnis des Genau der gleiche Umschwung ist es, den wir heute in der Nationalökonomie als Wissenschaft benötigen. Auch diese Wissenschaft ist nicht dazu da, um nur für sich selbst auf Bibliothekswolken zu thronen; sie soll vielmehr auf festen Beinen unter dem Volke wandern und sorgen, dass die Gesundheit unseres volkswirtschaftlichen Körpers wieder gewonnen und erhalten werde. Und das, was — wissenschaftlich gesprochen — hierzu vor allem erforderlich ist, umschliesst die Ergänzung unserer heute ganz überwiegend herrschenden „sozialen Anatomie, Physiologie und Psychologie“ durch eine „soziale Pathologie“ als „Physiologie des kranken Volkskörpers“. Zu diesem Zwecke liefert uns die pathologische Anatomie der geschichtlichen Kulturvölker die grundlegenden Erfahrungssätze, denen sich die Beurteilung der pathologischen Symptome im Völkerleben der Gegenwart anreiht, um mit der Therapie als wissenschaftliches Programm für die wirtschaftspolitische Praxis zu schliessen. Das ist denn auch die naheliegende und naturgemässe Disposition für die nachfolgenden Ausführungen. Heute erblickt eine stetig wachsende Partei, die
Sozialdemokratie, in jenem
Prozesse, der entwickelungsgeschichtlich als
„Todesstunde des Staates und der
Volkswirtschaft“ bezeichnet werden muss, den
günstigsten Zeitpunkt, um eine
vollständige Regeneration unserer
volkswirtschaftlichen Verhältnisse einsetzen
zu lassen. Was wir Sozialpolitik nennen,
bemüht sich gewisse Krankheitssymptome
einigermassen erträglich zu machen, ohne auch
nur im Entferntesten die eigentliche Krankheitsursache
anzutasten. Der fortschreitenden Zersetzung der
noch gesunden Zellen (Mittelstand) steht
fast die ganze Wissenschaft teilnahmslos
gegenüber. Die weit grössere
Energie unserer
* * *
(Vergl. Band I,
Seite 209—248.)
Das israelitische Volk besiedelte Kanaan als
Bauernvolk im Familien- und Stämmeverband bei
Naturalwirtschaft. Der Küstenstrich mit den
Hafenplätzen blieb zunächst in den Händen
der Phönizier und Philister, die Städte im
Lande in den Händen der Kanaaniter. Die
naturalwirtschaftliche Ordnung gewährte dem Volke
eine gewisse Wohlhabenheit, trotz häufiger
kriegerischer Bedrängnis durch räuberische
Nachbarn. Eben diese Bedrängnis zeitigte die
Einführung des Königtums. Das siegreiche
Königtum ging dann aus der Verteidigungspolitik
über zur Eroberungspolitik. Die Kriegsbeute mehrte
den Reichtum des Volkes an Gold und Silber. Die Siege
führten zu einer Verschmelzung mit dem
Händlervolke der Kanaaniter, zur Unterwerfung der
Philister und zu einem Freundschaftsbündnis mit den
Phöniziern in Aegypten. Die Naturalwirtschaft des
Volkes wurde durch die Geldwirtschaft abgelöst.
Neben den ländlichen Verhältnissen Der König hatte anscheinend wenig Fühlung
mit dem Volke. Jedenfalls kümmerten ihn die sich
jetzt vollziehenden bedenklichen sozialen
Vermögensverschiebungen wenig. Auch des Königs
Aufmerksamkeit war ganz in geldwirtschaftlichen und
kapitalistischen Anschauungen aufgegangen. Der
Kapitalismus sass auf dem Fürstenthrone. So wurde
der König selbst zum Händler. Durch seine
persönlichen Beziehungen zu auswärtigen
Königen konnte ein ertragreiches internationales
Handelsmonopol gewonnen werden. Besondere
Handelsexpeditionen besuchten das Goldland der Nach dieser Schwächung der heimischen Kraft brach
die kapitalistische Herrlichkeit im Auslande rasch
zusammen. Die zinsbar gewesenen fremden
Völkerschaften machten sich frei, ihre
Tributleistungen hörten auf. Die ausländische
Goldquelle versiegte. Der überseeische Handel kam
ins Stocken. Das internationale Handelsmonopol wurde
wertlos. Bald unternahmen die Nachbarn wieder
gelegentliche Raubzüge ins Land, in dem der
Bruderkrieg nur zu häufig wütete. Eine Reihe
von Hungersnöten steigerte die Armut der Volksmassen
noch mehr. Die „Geldfürsten von Juda und
Israel regierten das Land und der König hatte wenig
mehr zu sagen.“ Ueberall dehnte sich der
Latifundienbesitz der wenigen Reichen, Genussucht und
Habgier kannten keine Grenzen. Richter und Priester waren
bestechlich Nach 60-jähriger Gefangenschaft wurde den Juden die Rückkehr in ihre Heimat freigestellt, unter Oberhoheit der Perser, dann unter Alexander dem Grossen, später unter Aegypten, nachher unter Syrien, zuletzt unter Rom. Mit dieser Oberhoheit war die Verpachtung der Steuern und Zölle an Unternehmer verbunden und so dauernd eine Hochburg der kapitalistischen Ausbeutung gesichert. Damit blieb auch der Ausfuhrhandel in landwirtschaftlichen Produkten. Binnen kurzer Zeit brachten Missernten die alten Uebelstände der Ueberschuldung und Auswucherung des Volkes durch die Kapitalisten wieder. Ein einflussreicher Sozialreformer (Prophet) stellte die früheren Besitzverhältnisse wieder her und schüchterte die Wucherer ein. So war kaum 100 Jahre nach der Rückkehr aus dem Exil eine allgemeine Schuldzins- und Knechtschaftsbefreiung nötig geworden. Dann verbündeten sich die Wucherer mit der inzwischen syrischen Oberherrschaft. Das verlieh dem Aufstand der Unterdrückten den Charakter einer nationalen Erhebung (Makkabäer), die siegreich war, mit der Fremdherrschaft auch die Kapitalistenherrschaft beseitigte und den Mittelstand allgemein wieder zur Einführung brachte. Bald folgte die Oberherrschaft der Römer und
damit von neuem die Herrschaft der kapitalistischen
Wucherer jeder Art. Schwere Hungersnöte
begünstigten die Aus
(Vergl. Band I,
Seite 274 und 275.)
Die alten Griechenstämme sind bekanntlich von Norden her in den südlichen Vorsprung der Balkanhalbinsel eingewandert und haben dann über die ionischen Inseln hinweg den Weg nach der kleinasiatischen Küste gefunden. Hier lernten sie von den kapitalistisch hoch entwickelten Völkern des Orients die Geldwirtschaft, Handel und Gewerbe mit den kapitalistischen Künsten kennen. Damit begann auch in der griechischen Welt der Uebergang vom Agrarstaat und der Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft, zur Kapitalwirtschaft, zum Handels- und Industrie-Staat, worauf etwa 100 Jahre später immer der Untergang des Staates und seiner Kultur folgte. Diese Entwicklung durchliefen zuerst die kleinasiatischen Küstenstaaten. Dann folgten die ionischen Inselstaaten und schliesslich die Staaten auf dem Festlande. Zu den kleinasiatischen Küstenstaaten
gehörte Milet. Etwa um das Jahr 1000 v.
Chr. gegründet, war Handel und Gewerbe bald so
entwickelt, dass es im VIII. und VII. Jahrhundert v. Chr.
hervorragend an der Kolonisationsbewegung sich
beteiligte. Das eigene Landgebiet war klein. Bald machte
sich die Konkurrenz der griechischen Industriestaaten auf
den ionischen Inseln geltend. Dann
brachte die politische Einigung der kleinasiatischen
Binnenstaaten die Zufuhr der Rohmaterialien ins Stocken.
Beides rief
(Vergl. Band I,
Seite 275—276.)
war ein anderer kleinasiatischer Küstenstaat der Griechen, welcher ebenfalls im VII. Jahrhundert v. Chr. einen ausgedehnten kolonialen Besitz im Interesse seines industriellen Exports und seiner Handelstätigkeit beherrschte. Als die Einigungsbestrebungen der kleinasiatischen Binnenstaaten begannen, sah Teos die Absperrung seiner Rohmaterialzufuhren und damit seinen sicheren Untergang kommen. Der weitaus grösste Teil der Bevölkerung entschloss sich deshalb, Teos zu verlassen und in der fruchtbaren Ebene an der Westküste von Thrakien eine neue Heimat mit mehr Bauern zu gründen.
(Vergl. Band I,
Seite 276—277.)
war der nördlichste der altgriechischen Stadtstaaten an der kleinasiatischen Küste. Im VII. Jahrhundert v. Chr. gehörte ihm eine Reihe der wertvollsten Kolonien am Mittelländischen Meere. Als jedoch 545 v. Chr. die Perserbewegung siegreich vorgedrungen war, hielt es die Bevölkerung für ratsam, die Heimat für immer zu verlassen und nach Korsika auszuwandern.
(Vergl. Band I,
Seite 277—279.)
waren zwei industrielle Handelsstaaten an der Westküste der Insel Euböa. Beide gründeten im VII. Jahrhundert v. Chr. eine Reihe von Kolonien. Sie gehörten mit Korinth auf dem griechischen Festlande im VII. und VI. Jahrhundert v. Chr. zu den berühmtesten Städten der damaligen Handelswelt, in welcher das chalkidische Währungs- und Massystem vielfach Eingang gefunden hatte. Aber beide Staaten lagen in ewiger Fehde um das fruchtbare lelantinische Kornfeld, welche schliesslich dadurch beendet wurde, dass 446 v. Chr. das agrarisch noch stärkere Athen die ganze Insel Euböa mit Chalkis, Eretria und dem lelantinischen Kornfeld eroberte. Damit war jede Gewerbe- und Handelstätigkeit, die ihren Schwerpunkt nicht in der Heimat, sondern im Auslande und in den Kolonien hatte, beendet. Der blutige Kampf der „Armen“ gegen die „Reichen“ begann. Beide Städte sind dann rasch verfallen. Innerhalb der Stadtmauern wurde dann später der grössere Teil des Bodens wieder mit Getreide besät oder als Viehweide verwendet.
(Vergl. Band I,
Seite 279—281.)
ein Inselstaat, kaum 20 km südwestlich von der Hafenstadt Athen, mit nur wenig fruchtbarem Lande, erfreute sich eines solchen Ansehens in der griechischen Handelswelt seit dem VI. Jahrhundert, dass das äginatische Münz- und Massystem vielfach freiwillig von anderen Staaten eingeführt wurde. Die industrielle Produktion war hier hoch entwickelt, die Zahl der Gewerbesklaven um 450 v. Chr. grösser als die der freien Bevölkerung. Die Brotversorgung des Volkes lag in der Hand des Getreidehandels. Ursprünglich war auch der Handel von Athen in der Hand der Aeginaten. Als aber das der Fläche nach weit grössere und mit weit mehr Bauern ausgestattete Athen sich auch der kapitalistischen Entwicklung zuzuwenden begann, musste zwischen beiden Konkurrenten der Kampf auf Leben und Tod beginnen. Er wurde, wie immer zwischen Handelsstaaten, mit der grössten Erbitterung geführt. Sobald es Athen gelungen war (480 v. Chr.), über eine mächtigere Flotte als Aegina zu gebieten, war dessen Vernichtung beschlossene Sache. Die Stadt wurde zerstört und die gesamte Einwohnerschaft mit Weib und Kind aus dem Lande verjagt.
(Vergl. Band I,
Seite 282—286.)
war auf dem griechischen Festlande am
frühesten Handels- und Industriestaat geworden.
Schon unter Periander (627—585 v. Chr.) beherrschte
es eine Reihe der wichtigsten griechischen Kolonien. Die
Geschichte verlegt viele technische Erfindungen nach
Korinth. Die Korinther standen an erster Stelle gegen die
Seeräuber. Trotz aller Förderung von Handel und
Industrie war Periander bemüht, den gewerblichen
Mittelstand zu erhalten. Er gestattete deshalb den
Kapitalisten nicht, Gewerbesklaven in grösserer Zahl
einzuführen. Deshalb hat die Partei der Kapitalisten
Periander gewaltsam beseitigt. Das war für die
bedeutendste Kolonie der Anlaß zur
Verselbständigung und damit kam es zur Ausbildung
eines neuen gefährlichen Handelskonkurrenten.
Korinth war dann politisch so geschwächt, dass es
gezwungen war, die Schutzherrschaft des Agrarstaates
Sparta aufzusuchen. Von nun an war die Politik der
Korinther bestrebt, aus dem Zusammenbruch ihrer
kapitalistischen Konkurrenten möglichst viel zu
verdienen. So hat Korinth Athen unterstützt, als es
sich darum handelte, Chalkis, Eretria und Aegina zu
vernichten. Dadurch ist immer ein entsprechendes
Absatzgebiet den Korinthern zugewachsen. Die Rechnung war
nur deshalb falsch, weil auf diese Weise auch Athen als
Handels- und Industriestaat immer mächtiger geworden
ist. So konnte denn eines Tages der Kampf auf Leben und
Tod zwischen Korinth
(Vergl. Band I,
Seite 286—305.)
Hier gestattet die weit grössere Zahl der uns überlieferten Quellen, die kapitalistische Entwicklung wieder etwas vollständiger zu verfolgen. Attika war ursprünglich ein Agrarstaat, in
welchem Tendenzen zur Ausbildung eines Industrie- und
Handelsstaates vorhanden waren. Auch hier sind deshalb
frühzeitig die Grossgrundbesitzer kapitalistisch
verdorben worden, sodass sie durch Begünstigung des
Getreideexportes den Bestand an Brotgetreidereserven
verbrauchten, was nach Missernten Hungersnot erzeugte.
Diese Not wurde mit Hilfe des furchtbaren Kreditrechts
benützt, um die Masse des Volkes in die Fesseln der
Schuldknechtschaft zu zwingen. Daraus erwuchsen, als
gesunde Reaktion, die attischen Bauernkriege, welche in
der solonischen Gesetzgebung ihre vorläufige
Beruhigung erhielten. Bei allen Vorzügen dieser
Gesetzgebung im Einzelnen, hat sie trotzdem eine
reinliche Beseitigung des Kapitalismus nicht gewagt. Die
kapitalistische Entwicklung konnte deshalb auch nach
Solon sich weiter ausbauen, wenn auch zunächst in
einem langsameren Tempo. Die deshalb andauernde
Unzufriedenheit des Volkes liess mit Hilfe der
Bauernpartei eine Militärmonarchie entstehen. Der
jetzt schon beginnende Zerfall der Handels- und
Industriestaaten an der kleinasiatischen Küste
verführte aber auch die Militärmonarchie, von
den so frei werdenden Das benachbarte Aegina hatte durch seine
überlegene Flotte die attische Küste in dieser
Zeit verwüstet, ohne ernstlichen Widerstand zu
finden. Wollte man eine Wiederholung dieser bösen
Erfahrung vermeiden, so musste der Bau einer grossen
Flotte energisch in Angriff genommen werden. Weiter
glaubten jetzt die kleinasiatischen Griechen vom
Perserreiche ein entsprechendes Gebiet für sich
ab Die Masse des Volkes lebte nicht mehr von dem Ertrage der eigenen in der Heimat gesicherten Arbeitsgelegenheit, sondern aus dem Staatssäckel und von den Getreidefeldern am Pontus. Wurde der Staatssäckel leer und stockten die Sold- und Pensionszahlungen, so musste es zur sozialen Revolution kommen. Kamen die Getreidezufuhren aus dem Pontus ins Stocken, dann war Hungersnot im Lande. Traf aber der leere Staatssäckel mit der Hungersnot zusammen, dann war Athen seinen Feinden auf Gnade und Ungnade ausgeliefert. Und so kam es. Das Streben, immer neue Absatzgebiete für seine
Industrie zu gewinnen und die immer rücksichtslosere
Behandlung der Bundesgenossen machten Athen bald
überall verhasst. In seiner verblendeten Raubpolitik
hat es selbst den 27jährigen Entscheidungskampf
mit Korinth
(Vergl. Band I,
Seite 305—310.)
hatte etwa um die Mitte des VIII.
Jahrhunderts v. Chr. seinen späteren Wohnsitz
gewonnen. Seine schon damals gegebene Verfassung war eine
ausgeprägt agrarische, auf der Naturalwirtschaft
beruhende, die in energischster Weise das Eindringen des
Kapitalismus in die Volkswirtschaft zu verhüten
bestrebt war. Weil Sparta deshalb die Beschäftigung
seiner Bürger mit Industrie und Handel vermieden hat
und sich an dem allgemeinen Rennen und Jagen nach neuen
Absatzwegen im Welthandel gar nicht beteiligte, waren
schon gegen Mitte des VI. Jahrhunderts v. Chr. die
meisten Staaten mit Sparta freiwillig verbündet. Die
Handels- und Industriestaaten an der kleinasiatischen
Küste gingen zu grunde. Ihnen folgten die Handels-
und Industriestaaten der ionischen
Inseln. Selbst Athen ist den Angriffen seiner Feinde
erlegen, der Agrarstaat Sparta blieb im Besitze seiner
Macht, die jetzt erst durch das Eindringen des
Kapitalismus verloren gehen sollte! Schon während
der Perserkriege kam es gelegentlich zu blutigen Unruhen.
Die vielen Kriege brachten auch den Spartanern schwere
Verluste und zwangen den Staat, eine wachsende Zahl von
Nichtbürgern in die Armee einzustellen. Nach den
Siegen strömten immer mehr Schätze nach Sparta.
Die Bestechlichkeit breitete sich aus. Man begann die
Unveräusserlichkeit des spartanischen Grundbesitzes
aufzuheben. Rasch zeigten sich dann in der
Bevölkerung die beiden Klassen
(Vergl. Band I,
Seite 319—396.)
beginnt seine Geschichte mit einem Bauernvolk, dessen landwirtschaftlicher Grundbesitz unveräusserlich war. Die Brotgetreidepolitik der ältesten Zeit war mit der Wanderungspolitik in der Weise verknüpft, dass nach Missernten sich die Jungmannschaft auf anderen Fluren eine neue Heimat gründete. Die anfangs wahrscheinlich dauernde kriegerische Bedrängnis hat auch in Rom das Institut des Königtums geschaffen. Die Verfassung war eine Art Feudalordnung. Doch bestand die grosse Mehrheit des Volkes wahrscheinlich aus freien Bauern. Die Feudalherren aber wohnten nicht zerstreut im Lande, sondern in der Hauptstadt, was deshalb möglich war, weil das ganze ursprüngliche Landgebiet noch etwas kleiner als das heutige Fürstentum Waldeck gewesen ist. Im VIII. Jahrhundert v. Chr. wird dieses Volk geschichtlich bekannt. Noch unter der sagenhaften Königsherrschaft kam es zur Einführung einer modernen Staatsbürgerverfassung mit Volksabstimmung, allgemeiner Wehrpflicht, Freiheit der Verschuldung und Veräusserung der Grundstücke bei Kupferwährung und Naturalsteuerverfassung. Das anfangs gewiss häufiger zur Verteidigung
gezwungene Volk ist mit der Zeit ein Eroberungsvolk
geworden, welcher Umwandlung kapitalistische
Entwicklungen deutlich parallel gehen. Zwar wurde nach
Erbauung der Stadt die Getreidepolitik eine
Vorratspolitik. Die Siege der Römer über ihre Feinde
gliederten der altrömischen Feldmark zunächst
in Italien immer wieder neue Landgebiete an, welche als
Kolonien bezeichnet und behandelt wurden. Von 232 v. Chr.
ab wurden mit einer gewissen Liberalität zu den neu
erworbenen Gebieten Aecker an römische Bürger
verteilt. Die römischen Bauern kamen dadurch in die
anscheinend günstige Lage, ihren ererbten Besitz vor
den Mauern der Hauptstadt gut verkaufen zu können,
um in den Kolonien geschenkte Staatsländereien
künftig zu bewirtschaften. So ist die römische
Bauernschaft in immer grössere Entfernungen von Rom
abgerückt und damit tatsächlich aus der
allmächtigen römischen Volksversammlung
ausgeschieden. Da gleich Noch konnten die römischen Bauern gegen den furchtbaren Hannibal jährlich 70'000 Mann ins Feld stellen und den Sieg über Karthago, über Makedonien und Syrien erringen. 168 v. Chr. war die Eroberung der Mittelmeerländer in der Hauptsache vollendet. Ungeheure Kriegsbeuten und Kriegsentschädigungen wanderten nach Rom, das rasch zur Silberwährung (269 v. Chr.) und dann zur Goldwährung (207 v. Chr.) überging. Ueberall wurden auf Staatskosten grosse Bauten aufgeführt. Für jedermann bot sich Arbeitsgelegenheit genug. Die Warenpreise und Löhne stiegen. Noch mehr wuchs der Reichtum und die Habgier der römischen Kapitalisten. Auf den berühmten Sklavenmärkten der Insel Delos wurden morgens bis zu 10'000 Sklaven aufgetrieben, die bis zum Abend leicht verkauft wurden. Namentlich das Brotgetreide wurde mehr und mehr Spekulationsobjekt der Händler und Bankiers. Die eroberten Provinzen waren der schamlosesten Ausplünderung preisgegeben. Die Statthalter, die Steuerpächter, die römischen Kaufleute und Geldverleiher wetteiferten mit einander in raubtierartiger Gewinnsucht. Wo die ungeheuerlichsten Wuchergewinne in den Provinzen oder befreundeten Staaten nicht gezahlt werden konnten, da mussten die römischen Heere für die privilegierten Räuber die ausstehenden Forderungen eintreiben. Wo deshalb die furchtbar gequälten Völker zu einer Empörung sich aufrafften, da forderte es die „Ehre des römischen Staates“, mit Waffengewalt den Aufstand im Blute zu ersticken und zur Deckung der Kriegskosten das letzte wegzuführen, was zu fassen war.
Doch da begann auch schon unter den Räubern der Kampf um die Beute. Im Jahre 101 v. Chr. wurde das römische Heer, das früher aus den Vertretern des Mittelstandes sich zusammensetzte, von römischen Proletariern und fremden Söldnern gebildet, die ihrem Führer um so mehr ergeben waren, je grossartiger seine Beutezüge angelegt waren. Die römischen Bürgerkriege begannen und haben ihren naturgemässen Abschluss darin gefunden, dass der kühnste der römischen Kapitalisten das ganze römische Reich für sich eroberte (Cäsar). Das Programm des neuen Herrn lautete notwendigerweise:
Hinrichtung fast aller bisheriger Raubkollegen und
Schaffung namentlich eines neuen Bauernstandes vor den
Die Neuschaffung eines Bauernstandes nicht nur in der
Umgebung von Rom, sondern in ganz Italien, welcher die
Brotversorgung des Volkes im ganzen Lande wieder
gesichert hätte, unterblieb. Ebenso unterblieb die
Neuschaffung eines ausreichenden städtischen
Mittelstandes. Wohl aber behielt selbst Cäsar seine
150'000 Almosenempfänger in Rom, deren Zahl unter
seinem Nachfolger schon auf 250'000
angewachsen war. Zur persönlichen Sicherheit des
Kaisers vor der Rache des hungernden Proletariats schuf
man eine grossartige staatssozialistische
Getreideversorgung für Roms Proletarier. Dazu kamen
die Anforderungen der kaiserlichen Launen. Die Finanznot
des Staates wurde nicht mehr beseitigt. Alle Mittel zur
Heilung versagten. Schrittweise bildete sich die
Volkswirtschaft von der Goldwährung, zur Silber-,
zur Kupferwährung und zur Naturalwirtschaft wieder
zurück. Die Verstaatlichung der Getreideeinfuhr
griff immer weiter um sich und erfasste ein Gewerbe und
einen Beruf nach dem anderen als
Zwangsberufsgenossenschaft auf staatssozialistischer
Grundlage, bis das ganze komplizierte Gebäude des
Staatssozialismus fertig war. Neben diesem
Staatssozialismus fand der Anarchismus, der sich schon
während der Bürgerkriege gezeigt hatte
(Catilina), seine Vertreter in den Reihen der
römischen Garde, welche den Kaiser ermordeten und
den Kaiserthron öffentlich meistbietend
verauktionierten. Die römische Bevölkerung, der
fast keine
(Vergl. Band II, Seite
3—82).
Das römische Weltreich war gefallen. Das
byzantinische Reich und Persien hatten sich gegenseitig
genügend geschwächt. Das war die Zeit, in
welcher Muhammed eine nationale Bewegung der Araber
schuf, welche mit dem arabischen Pferd und dem arabischen
Kamel unter Benutzung der Wüsten als Heeresstrassen
von Indien bis nach Spanien ein Weltreich in der kurzen
Zeit von etwa 100 Jahren zusammen eroberte. Die neue
Religion war gewiss nicht ohne einen idealen Kern. Die
begeisterte Hingebung der Strenggläubigen bezeugte
das zur Genüge. Aber Muhammed machte aus seiner
Gemeinde der Gläubigen eine
„Geschäftsgemeinde“ mit
ungewöhnlich reichen Gewinnaussichten, indem er sie
zu einem Eroberungsheer ausbildete mit dem Auftrage, die
Ungläubigen zu bekämpfen, bis sie demütig
ihnen die Steuer zahlten. Kriegsbeute, wie alle
überschüssigen Steuererträge wurden unter
die Gläubigen verteilt. Der Bauer und die
Bodenkultur sollten in den eroberten Ländern
geschont werden. Dem Araber war es verboten,
Grundeigentum zu erwerben. Die Gläubigen sollten nur
Eroberer, Regenten und Regierungsgehilfen sein, für
welche die Besiegten zu erwerben und zu produzieren
hatten. Die ganze islamitische Politik war reinste,
unverfälschte Kapitalistenpolitik. Sie stellte sich
die Frage: Wie können wir die Menschen der Welt am
besten für uns arbeiten lassen? Die Antwort lautete:
Indem wir die
(Vergl. Band II,
Seite 178—215.)
Bald nach Entstehung des arabischen Weltreiches
begannen dauernde Reibungen zwischen dem Islam und dem
christlichen Abendlande, und zwar von Spanien angefangen
bis nach Jerusalem und Konstantinopel. Seit Beginn des X.
Jahrhunderts befand sich das islamische Reich in
offensichtlichem Verfall. Die christlichen Waffen drangen
in der spanischen Halbinsel, wie im Mittelmeere siegreich
gegen die Araber vor. Die Annahme schien nicht
unberechtigt, dass die Herrschaft des Islam dem
gemeinsamen Ansturm des christlichen Abendlandes nicht
mehr gewachsen sei. Die Schätze des Orients mussten
auch im Abendlande die Eroberungslust reizen. Die jetzt
noch schlechtere Behandlung der christlichen Pilger nach
Jerusalem forderte Abhülfe. So begann 1096 die
Kreuzzugsbewegung der christlichen Ritterschaft unter
Oberleitung der römischen Kirche. Im christlichen
Abendlande herrschte damals noch die Verfassung des
Lehnsstaates. Der Ritter war verpflichtet, sich und sein
Gefolge im Kriege auf eigene Kosten zu verpflegen. Unter
dem Drucke dieser Verpflichtung erlahmte die
Kreuzzugsfreudigkeit der Ritter sehr rasch. So blieb der
Kirche nur übrig, die erforderlichen Gelder zur
Fortführung der Kreuzzüge zu beschaffen. Das
ist die Quelle der Kreuzzugssteuern geworden. Der Ertrag
erreichte im ersten Drittel des XIII. Jahrhunderts etwa
20 Millionen Franken pro Jahr. Für das damalige
Abendland eine Diese Idee und ihre Politik führte zum Kampfe des Papsttums mit den weltlichen Mächten. Das deshalb noch mehr gewachsene Geldbedürfnis der Kirche liess ein ganzes System indirekter Kirchensteuern aufkommen. Der Reichtum der Kirche minderte den kirchlichen Sinn ihrer Priester. Deshalb entstanden Glaubenstrennungen, deren Anhänger von der Kirche verfolgt wurden. Die Glaubenstrennung von Rom stärkte die Macht der weltlichen Staaten, welche der Kirche nach und nach ihre Güter und ihr Einkommen entzogen haben. Als trotz wiederholter Einigungs- und Reformversuche die Glaubenstrennungen immer neue Gebiete erfassten und die Macht der weltlichen Staaten immer grösser wurde, verzichtete die Kirche freiwillig nach den Beschlüssen des Konzils von Trient (1545—1563), auf jene Einkünfte, welche den Kapitalismus auf päpstlichem Throne ausmachten. Von da ab hat die Glaubenseinigung wieder wesentlich zugenommen und der kirchliche Sinn sich sichtlich gebessert.
(Vergl. Band II,
Seite 370—371.)
Die Hauptkanäle, durch welche die kapitalistische Erwerbsart des islamischen Orients nach dem christlichen Abendlande schon vor den Kreuzzügen Eingang gefunden, um sich von hier aus immer weiter auszubreiten, waren die Verkehrsstrassen des Handels zwischen dem Morgen- und Abendlande. Die ersten Ablagerungen dieser Erwerbsart fanden in den alten Handelsstätten der christlichen Mittelmeerküste statt. Amalfi war eine der ältesten Stadtstaaten dieser Art. Schon vor den Kreuzzügen besass Amalfi eine Reihe von Handelsniederlassungen. Seine Beteiligung am ersten Kreuzzuge brachte weitere Handelsvorteile ein. 1135—1137 wurde die zwischen Felsen eingezwängte Stadt wiederholt von dem stärkeren Konkurrenzstaat Pisa überfallen und gänzlich vernichtet. Und da ein grösserer Landbesitz mit Bauern zu diesem Staate nicht gehörte, war damit seine Geschichte beendet.
(Vergl. Band II,
Seite 372—375.)
hatte sich zu Beginn des XII. Jahrhunderts Sardinien, Korsika und Elba gemeinsam mit Genua im Kampfe gegen die Araber erobert. Weitere wichtige koloniale Besitzungen wurden bei der Teilnahme an den Kreuzzügen gewonnen. Nach der Vernichtung Amalfis hatte der Handel Italiens mit dem Orient in Pisa seinen Hauptsitz. Das erweckte den Konkurrenzneid von Genua und Venedig, sodass Pisa sich bald mit dem einen, bald mit dem anderen Konkurrenten zu bedenklichen Bündnissen gezwungen sah. 1268 wurde die Flotte der Pisaner durch Genua gänzlich vernichtet, die Kolonien vom Sieger eingezogen. Blutige Bürgerkriege begleiteten dann den Zusammenbruch dieses Gemeinwesens. Damit war auch dieser Handelsstaat ohne Bauern erledigt.
(Vergl. Band II,
Seite 375—381.)
besass in seiner Umgebung nur einen
schmalen Landstreifen mit wenigen Bauern. Seine Politiker
waren der Meinung, dass nur die Förderung von Handel
und Industrie durch koloniale Besitzungen in der Ferne
als Stützpunkte eines wachsenden Weltverkehrs
nationale Vorteile bringe. Seine wertvollsten Kolonien
wusste Genua während der Kreuzzüge zu erwerben.
Als es aber Venedig glückte, den vierten Kreuzzug
(1202 —1204) ganz in die Bahnen seiner
Geschäftsinteressen abzulenken und die wichtigsten
Handelsprivilegien von dem mit seiner Hülfe
entstandenen lateinischen Kaiserreich Byzanz zu erhalten,
begannen in Genua politisch unruhige Zeiten. Die
wachsende Herrschaft Venedigs im damaligen
Welthandelgetriebe bedeutete naturgemäss das nahende
Ende des Handelsstaates Genua. Da gelang es den
Zünften, die Regierungsgewalt den
„gesättigten Bürgern“ zu
entreissen. Nun wurde alles daran gesetzt, das Venedig so
eng befreundete lateinische Kaiserreich in Byzanz durch
Wiederherstellung des griechischen Kaiserreichs zu
beseitigen um von dem neuen Kaiser die gleichen
Handelsbevorzugungen zu erlangen, die Venedig von seinem
Vorgänger erhalten. Das gelang im Jahre 1261. Gleich
darauf hat Genua die Flotte der Pisaner vernichtet und
deren Kolonien eingezogen (1268). So erreichte der
Handels- und Industriestaat Genua rasch den Gipfel seiner
Macht. Mit aller Energie waren die Genueser bemüht,
das
(Vergl. Band II,
Seite 381—397.)
hat es wohl am besten verstanden, jene gewaltige Kolonialbewegung, welche mit den Kreuzzügen erwachte, in rücksichtsloser Weise für sich auszubeuten. Wo immer in den damaligen Wirren gerade eine gute Beute zu machen war, gleichgültig, ob Muhammedaner oder Christen dadurch geschädigt wurden, da wusste die damals schon bedeutende Seemacht Venedigs immer rasch zuzugreifen. Bald gehörten der Lagunenstadt neben den Küsten des Adriatischen Meeres, die das Schiffbauholz lieferten, die wertvollsten Kolonien der östlichen Hälfte der Mittelmeerländer mit den wichtigsten Handelsprivilegien von Aegypten und Syrien bis nach dem Don und der Wolga. Nach Gründung des lateinischen Kaiserreichs (1204) war Venedig auf dem besten Wege, das Monopol über den ganzen Levantehandel zu erringen. So sehr lag damals der Schwerpunkt der venetianischen Volkswirtschaft in den Kolonien, dass ein Doge allen Ernstes den Antrag stellen konnte, die Venetianer möchten nach Konstantinopel, als der Hauptstadt ihres Reiches, übersiedeln. Mit dem Reichtum Venedigs wuchs auch die Zahl seiner
Feinde. Der mehr als hundertjährige Konkurrenzkrieg
mit Genua (1240—1381) führte zu einem
Bündnis von Genua mit Ungarn, Oesterreich und
Carrara gegen Venedig. Dem folgte das siegreiche
Vordringen der Türkenherrschaft. Aus dieser
höchsten Not lernten die klugen Besonderes Interesse bietet noch die Geschichte der
Kolonialpolitik Venedigs auf Kreta.
Zunächst versuchten es auch die Venetianer hier mit
dem „Assessorismus“ und der rein
kapitalistischen Organisation. Als aber diese
Regierungsform rasch gründlich Fiasko machte,
entschlossen sich die klugen Venetianer zu Anfang des
(Vergl. Band II,
Seite 222—242.)
Im Jahre 1263 hatte Portugal im wesentlichen sein heutiges Landgebiet im Kampfe gegen die Araber zurückerobert. Schon vorher war die königliche Gewalt bemüht, die volkswirtschaftliche Entwicklung in der Heimat zu verankern und auf dem Bauernstand und der eigenen Arbeit zu gründen. Die von den Bauern und Gewerbetreibenden beklagte kapitalistische Ausbeutung wurde energisch abgestellt. Da zwangen die Angriffe Kastiliens zu einem Freiheitskampfe, nach dessen Siegen der kühne Plan gefasst wurde, die Welt zu erobern und die Segnungen des Christentums um den Erdkreis zu tragen. Eine planmässige Vorbereitung und Ausführung erfuhr das Auffinden des Seeweges nach Ostindien (1498). Inzwischen hatte Christoph Columbus für Spanien Amerika entdeckt (1492). So wurde für beide Staaten (1494) ein Staatsvertrag über die Teilung der Welt in zwei Hälften notwendig. Das kleine Portugal erhielt Brasilien, Afrika und Indien und trug deshalb den stolzen Titel: „Königin dreier Erdteile“. Die volkswirtschaftliche Entwicklung der Heimat stand
noch in den Kinderschuhen der Kupferwährung, als der
neue Kolonialreichtum einströmte. In der besten Zeit
soll Portugal allein aus Indien jährlich über
800 Millionen Mark vereinnahmt haben. Wie wirkte dieser
Reichtum? Ein glänzender üppiger Luxus
entwickelte sich am Königshofe und sickerte von da
hinab in das Volk. Die Brotversorgung
(Vergl. Band II,
Seite 242—287.)
hat in fast 800jährigem Kampfe (711—1492) die Herrschaft der Araber innerhalb seiner Landesgrenzen gebrochen. Dann war das Königtum im besten Zuge, eine treffliche Ordnung der heimischen Verhältnisse zu schaffen, um das Volk einer besseren Zukunft entgegenzuführen. Die bösen Sitten, den Bauernstand und die Gewerbetreibenden auszubeuten, wurden abgeschafft und das Land energisch von Wucherern aller Art durch die Könige befreit. Da brachte Kolumbus im Geiste des niedergebrochenen Handelsstaates Genua den Plan, einen westlichen Seeweg nach Ostindien aufzufinden und entdeckte hierbei Amerika (1492). Sofort schien auch der König von der völkermordenden Krankheit der Goldgier befallen zu sein. Kalt und geschäftsmässig lautete seine Instruktion an die kolonialen Eroberer: „Sucht Gold, wenn möglich ohne Grausamkeit. Jedenfalls sucht Gold zu bekommen! Hier habt Ihr Vollmachten!“ Der Auftrag wurde gewissenhaft befolgt. In den Jahren 1493 bis 1600 sollen etwa 4027 Millionen Mark Gold allein, ohne das Silber, aus den Kolonien nach Spanien geflossen sein. Ganz Amerika, mit Ausnahme von Brasilien, aber mit den Inseln im stillen Ozean, gehörte in kurzer Zeit den Spaniern, welche hier im Jagen nach Gold und Gewinn weit schlimmer wie die Pest gehaust haben. Kann es da überraschen, dass sich in dem Empfinden der kolonialen Bevölkerung ein tiefer Hass gegen die spanischen Eroberer festsetzte?
Wie war es inzwischen in der Heimat ergangen? Auch
hier traf der koloniale Goldstrom ein Volk bei
Kupferwährung. Die neue Sucht nach dem Golde lockte
die kräftigen, gesunden Bauern zur Auswanderung und
hat so die dünne Bevölkerung noch mehr
gelichtet. Der neue Reichtum sammelte sich in wenigen
Händen und führte rasch zum Aufkauf der
Bauerngüter, an deren Stelle grosskapitalistische
Latifundien traten. Der König kümmerte sich
darum wenig. Seine grossen Schätze liessen ihn den
Plan der Weltherrschaft ernstlich in Ausführung
nehmen. Deutlich wurde die ganze Weltherrschaft für
ganz Europa bemerkbar und führte zu endlosen
Kriegen, die so lange dauerten, bis die erobernde Macht
der spanischen Herrscher gebrochen war. Zur Bestreitung
dieser ungeheuren Kriegskosten reichten die Schätze
der Kolonien um so weniger aus, je mehr der Zufluss der
Edelmetalle von dort abzuflauen begann. Die
Steuerschraube im eigenen Lande musste daher bemüht
sein, für die Ehre des Vaterlandes den letzten
erreichbaren Groschen noch herauszupressen. Das alles
rief im eigenen Lande Vernichtung von Industrie und
Handel, blutige Bürgeraufstände und
Abtrennungen einzelner Landesteile vom Gesamtstaate
hervor. Die schlimmste Korruption fand Eingang in der
Beamtenwelt.
(Vergl. Band II,
Seite 397—406.)
war bereits ein Handelsstaat, als in
der 2. Hälfte des XVI. Jahrhunderts seine
Losreissung vom spanischen Weltreich erfolgte. Die
heimische Landwirtschaft spielte nur noch eine
untergeordnete Rolle. Die Brotversorgung des heimischen
Volkes lag in der Hand des Handels. Die Beseitigung der
spanischen Herrschaft bedeutete zugleich den vollen Sieg
der kapitalistischen Ideen. Der Profit allein hatte von
jetzt ab zu entscheiden, ob eine wirtschaftliche Tat
zulässig oder unzulässig sei. Der
Befreiungskrieg der Holländer in Europa wurde in den
spanischen Kolonien als privilegierter Seeraub und als
Eroberungskrieg geführt. Als aber die armen
Eingeborenen durch ihre eigene Mithilfe aus der Gewalt
der Spanier und Portugiesen in die der Holländer
gekommen waren, wurde ihr Los ein noch schlechteres. Die
holländischen Kolonien wurden durch grosse Kolonial-
und Handelsgesellschaften „fruktifiziert“,
deren Anteilscheine an der Amsterdamer Börse
gehandelt wurden. Jetzt galt nur der
Verwaltungsgrundsatz: möglichst hohe Geldgewinne
erzielen! Mit dem ganzen Raffinement kapitalistischer
Ausbeutungskünste wurde hierbei zu Werke gegangen.
Soweit die verfügbaren Gewaltmittel reichten, wurde
alles Greifbare als gute Beute einer Volkswirtschaft
angesehen, deren Oberleitung in der Hand der
führenden Börsianer in Amsterdam lag. Hier kam
zuerst in ganz moderner Durchbildung das Bank- und
Börsen
(Vergl. Band II,
Seite 320—351.)
blieb von der Zeit der Römer her
in seiner südlichen Hälfte, auch nach seiner
Besitzergreifung durch die Germanen, von einer
stärkeren Dosis kapitalistischer Wirtschaft
durchsetzt. In der nördlichen Hälfte herrschte
bei überwiegender Naturalwirtschaft die
lehensstaatliche Verfassung. Das französische
Königtum kam in Anlehnung an den
geldwirtschaftlichen Süden früh schon zu
grösserer Macht. Der unausbleibliche Konflikt mit
dem lehensstaatlichen Norden wurde um so ernster, je
grösser der Machtzuwachs dieser Vasallen durch ihre
Eroberung Englands geworden war. So kam es auch zu dem
mehr als hundertjährigen Kriege zwischen Frankreich
und England. Die immer mehr sich ausbreitende
Geldwirtschaft hat hier das englische Königtum
verhältnismässig früh zum Absolutismus und
zum modernen Einheitsstaate geführt. Der letzte
grosse Konflikt zwischen Geldwirtschaft und Lehensstaat
nahm in den Hugenottenkriegen die Form eines
religiösen Bürgerkrieges an. Von da ab
entwickelte sich das Wesen des Kapitalismus auf dem
Fürstenthrone immer schärfer. Mit Gift und
Dolch, Richtschwert und Bestechungsgeldern ward seine
Herrschaft begründet. Mit fast zahllosen
Eroberungskriegen gegen die Nachbarn, wie auf den
verschiedenen grossen kolonialen Gebieten der Erde sollte
seine Macht immer weiter ausgebreitet werden. Aber mit
dem Reichtum wuchs auch die königliche Genussucht
und Verschwendung in solchem
(Vergl. Band II,
Seite 287—320.)
Die Geschichte des heutigen Englands beginnt mit Wilhelm dem Eroberer und seinem Domesday-Book. Durch diese eigenartige Urkunde wurde die sonst im naturwissenschaftlichen [? naturalwirtschaftlichem] Lehensstaate übliche Entwicklung verhütet zu Gunsten des Reichtums der Könige und so die Kampflust der Ritter und Herren auf den Kampf um den Königsthron selbst wie auf Eroberungen im Auslande abgelenkt. Reichtum und Macht des Königs begünstigten ein despotisches Regiment. Dieses einigte wieder die Grossen des Reiches unter sich und liess in politischen und wirtschaftlichen Notlagen des Königs mit diesem besondere Rechtsverträge abschliessen, aus denen nach und nach die englische Verfassung entwachsen ist. Das Land hatte ursprünglich die reine Naturalwirtschaft. Die Geldverhältnisse wurden erst geordnet, als England in die europäische Kreuzzugssbewegung einzutreten begann. Handel und Geldwirtschaft lagen damals zumeist in den Händen von Ausländern. Unter den gegebenen Verhältnissen musste sich das eindringende Handels- und Leihkapital vor allem an den König wenden, welcher gegen Kreditgewährungen und Zollzahlungen die Ausfuhr von Getreide bewilligte. Konnte der König den Ausländern seine Schulden nicht mehr zahlen, so sorgte der Bankrott für Abschreibung derselben. Das hat die fremdländischen Kapitalisten schwer geschädigt und das Aufkommen englischer Kapitalisten erleichtert, die dann bald die Ausländer verdrängten.
Der grundlegende Begriff der volkswirtschaftlichen Pathologie ist der „Kapitalismus“. Die reine Naturalwirtschaft kennt auch in dem arbeitsteiligen Lehensstaate den Kapitalismus nicht. Die Ausbreitung des Kapitalismus hat die Einführung des Geldes und die Ausbreitung der Geldwirtschaft zur Voraussetzung. Das Geld ist der einzige und ungemein günstige Nährboden für die Ausbreitung des Kapitalismus. Es lassen sich deshalb drei Entwicklungsstufen für den Uebergang der physiologischen zur pathologischen Entwicklung unterscheiden, nämlich:
Das Recht der Naturalwirtschaft im Allgemeinen
und das Recht an Grund und
Boden im Besonderen ist überall organisch mit dem
betr. Volke aufgewachsen. Das kapitalistische Recht im
Allgemeinen, das Handels- und Kreditrecht im Besonderen
ist im Rahmen unserer geschichtlichen Kenntnisse nirgends
mit einem Volke „geworden“. Dieses Recht
wurde allen Völkern immer von einem sogenannten
„höher entwickelten“, in Wahrheit
kapitalistisch durch und durch erkrankten Volke
übertragen. Die Rechtswissenschaft bezeichnet diese
Uebertragung des kapitalistischen Rechtes mit dem Worte
„Rezeption“. Im Kapitalistenrecht ist deshalb
eine Gemeinschaft aller Kapitalisten-Völker der
Weltgeschichte enthalten, während das Agrarrecht der
Natural An dieser pathologischen Entwicklung lassen sich als Regel drei Stufen unterscheiden:
Wesentlich verändert wird das Krankheitsbild, sobald der Kapitalismus sich nicht nur innerhalb der Gesellschaft ausbreitet, sondern die Zentralgewalt des Staates in ihrer ganzen Regierungstätigkeit erfasst, der Kapitalismus also auf dem Fürstenthrone sitzt. So entsteht der Gegensatz des „Kapitalismus in der Gesellschaft“ und des „Kapitalismus auf dem Fürstenthrone“, dem sich im Mittelalter noch der „Kapitalismus in der Kirche“ hinzugesellte. Das Krankheitsbild in seinem Entwicklungsverlaufe ist bei dem „Kapitalismus in der Gesellschaft“ in der Hauptsache folgendes: Ein naturalwirtschaftlich geordnetes Volk wird von
ausländischen Händlern als Vertreter einer
kapitalistischen Volkswirtschaft besucht. Jedes
kapitalistische Volk ist arm an Getreide und reich an
Geld und Waren. Jedes Volk in Naturalwirtschaft hat
grosse Vorräte an Getreide und wenig Geld und Waren.
Hier scheint ein natürlicher Ausgleich möglich.
Das kapitalistische Volk gibt Geld und Waren für den
Ueberschuss an Getreide des agrarischen Volkes. Fast
ahnungslos werden dabei die Reserven an Brotgetreide
veräussert und ausgeführt. Dann kommt
plötzlich ein Missjahr. Die heimischen
Getreideerträge allein Die Reaktion des im Kern noch gesunden agrarischen
Volkskörpers gegen diese Ausbreitung des
Kapitalismus zeigt sich in der so typischen Form der
Bauernkriege. Die Bauern verlangen ihr gutes altes Recht
zurück und deshalb Abschaffung des neuen
Kapitalistenrechtes. Wo die Bauernbewegung die Oberhand
gewinnt, führt sie zur Wiedergesundung des
Volkskörpers. Wo die Bauernkriege
verständnislos niedergeworfen werden, erfasst von da
ab rasch der Kapitalismus die ganze Volkswirtschaft.
Indes wird auch dort, wo die Bauern siegen, und
allgemeine Anerkennung mit ihren Forderungen finden, die
Ausbreitung der kapitalistischen Entwicklung zumeist nur
verzögert, aber nicht dauernd verhindert. Denn diese
bäuerlichen Bewegungen sind rein
praktisch-politische Bewegungen. Die Bauern kennen nur
ihre eigenen Leiden, die sie ungerecht zu erdulden haben.
Sie kennen nicht die objektive Natur der Krankheit des
Kapitalismus. Ihre rein praktischen Vorschläge sind
dem drohenden Uebel gegenüber kein
„reines“ Mittel, sie kennen nur die
Abstellung von vorhandenen Misständen,
sie kennen nicht das mindestens gleich Die weitere Krankheitsentwicklung nimmt von jetzt ab
wesentlich andere Formen an. Kriege und koloniale
Erwerbungen lockten zumeist auch dort, wo die agrarische
Bewegung vorher gesiegt hatte, die Bauern aus ihrer
Heimat weg. Die glänzenden Siege der Bauernheere
bringen ungeheure Kriegsbeuten nach der Heimat. Die
ökonomischen Verhältnisse scheinen allgemein
gegen früher wesentlich besser, jedenfalls
wesentlich reicher. Ein vorher ungeahnter Aufschwung von
Industrie und Handel macht sich breit. Das Bank- und
Börsenkapital kommt bald zur Herrschaft. Die reich
gewordenen Geldfürsten kaufen die Bauern aus und
erwerben so Latifundien als Luxusbesitz. Mit den Bauern
verschwindet der Getreidebau. Die Brotversorgung des
Volkes wird eine Sache des Handels. Der Mittelstand in
Stadt und Land verschwindet. Einer kleinen Zahl der
reichen Leute steht die Masse der Proletarier
gegenüber. Unter einem trügerischen
äusseren Glanze wird nur zu leicht übersehen,
dass der Volkskörper seine gesunde, kernige feste
Natur ganz zu verlieren droht. Das Rennen und Jagen nach
Gold und Gewinn, das Ringen um die Weltherrschaft oder
doch um die Welthandelsherrschaft hat die
zusammengehörenden Volksinteressen über die
ganze Welt zerstreut, ganz ungleichartige
Völkergruppen zusammengewürfelt, den Bezug von
Getreide und Rohmaterial für die
gewerblich-industrielle Produktion, den Absatz der
industriellen Erzeugnisse überallhin verteilt.
Eine stetig wachsende Zahl von Personen erkennt die herrschenden Zustände als unhaltbar. Weil aber die Krankheit des Kapitalismus fast alle Teile des Volkskörpers erfasst hat, fehlt den auftauchenden Reformbestrebungen die Anlehnung an gesunde Verhältnisse. Die Reformvorschläge sind deshalb in der Richtung einer Fortentwicklung der herrschenden Krankheitszustände gedacht und werden als „Sozialismus“, „Kommunismus“ und „Anarchismus“ bezeichnet. Die Machtmittel des Staates sind längst nur im Dienste der kapitalistischen Interessen tätig. Zur Eintreibung wucherischer Gewinne der Kapitalisten werden unzählige Kriege geführt. Von einem gewissen Zeitpunkte ab beginnt dann auch in der Heimat der Kampf der „Reichen um die Beute“, womit sich soziale Revolutionsströmungen und Ueberfälle äusserer Feinde verbinden. Das letzte Stündlein hat geschlagen, das sich freilich mit seinen furchtbaren Blutszenen dort sehr in die Länge ziehen kann, wo es an einem einigermassen ebenbürtigen äusseren Feinde fehlt.
Der „Kapitalismus in der mittelalterlichen Kirche“, welcher den Kampf zwischen „Kirche“ und „Staat“ und zwischen „Kirche“ und „Kapitalismus in der Gesellschaft“ und zwar als verschiedene Reformationsbewegungen hervorrief, fand seinen naturgemässen Abschluss durch freiwilligen Verzicht der Kirche auf kapitalistischen Erwerb. |
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