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Entwickelungsgeschichte der Völker.Entwickelungsgeschichte der Juden.(Privatdozent Dr. theol. Franz Walter – München. ) |
Vorbemerkung und Litteratur. Die
Nationalökonomie hat die Wirtschaftsgeschichte der
Juden fast noch unberücksichtigt gelassen. Der
zweite Supplementband (1897) von Conrads
Handwörterbuch der Staatswissenschaften enthält
eine vier Druckseiten füllende Darstellung der
„Sozialreform im alten Israel“ von
Prof. Adler. Beer hat in der „Neue
Zeit“ Jahrgang II Band 1 1893 einen oft citierten
„Beitrag zur Geschichte des Klassenkampfes im
hebräischen Altertum“ geliefert; aber diese
Ausführungen können nur als eine vielfach
gewaltsame Umdeutung der hebräischen Geschichte im
Sinne der materialistischen Geschichtsauffassung von Karl
Marx bezeichnet werden. Die Litteratur, die wir sonst
besitzen, ist nicht von Nationalökonomen bearbeitet
und kann deshalb auch die nationalökonomische Seite
der Entwickelung nicht in ihrer vollen Bedeutung
hervorheben. Benutzt wurden zur folgenden Darstellung die
Bibel, Talmud und Midrasch;
ferner aus der alten Litteratur namentlich die
ausgezeichneten religions– philosophischen Arbeiten
von dem Lehrer Spinozas Maimonides (1135 bis
1204). Moreh hannebochim, Hilchot Schemitta wejobel,
Malwe weloive, Abadim, Rozlach Sechiruth, Matnoth, wobei
uns Rabbiner Dr. Unna – Mannheim
wesentlich unterstützte. Ferner aus der neueren
Litteratur: A Dictionary of the Bible,
Edinbourgh 1898; Bäck, Geschichte des
jüdischen Volkes 1894; Dunker,
Geschichte des Alterthums, vierte Auflage 1874;
Grätz, Geschichte der Juden
* * *
Die Ueberlieferungen der Geschichte der Juden
knüpfen bekanntlich an die Schöpfungsgeschichte
und an den Sündenfall an. Danach trieb Gott der Herr
den Menschen aus dem Paradiese: den Acker zu bebauen.
„Mit Arbeit sollst Du Dich von der Erde nähren
und im Schweisse Deines Angesichts Dein Brot
essen!“ Aber auch schon im Paradiese war es die
Bestimmung des Menschen, „den Acker Mit der nun wieder beginnenden
Bevölkerungszunahme kommt es abermals zur
Städtebildung und Ausscheidung verschiedener
Berufsarten. In den Waffen geübte Männer
gewinnen die Herrschaft über grössere
Territorien. Die Völkerwanderung beginnt. Die Erde
wird aufgeteilt. Auch Abraham, aus dem Stamme Sem,
wandert aus Haran mit Verwandten und Leibeigenen und
aller Habe nach Kanaan (1. Moses 12,5 bis 6). Als hier
eine Hungersnot das Land bedrückt, geht Abraham mit
den Seinen nach Egypten, wo Getreide und Brot genug war.
Er erwarb hier Schafe, Rinder, Mägde, Esel und
Kamele und Gold und Silber (1. Moses 12,16 – 13,2);
und kehrte nach Kanaan zurück, sobald die
Getreidenot vorüber war. Unterwegs trennt er sich
von seines Bruders Sohn Lot wegen des Streites ihrer
Hirten und der Grösse ihrer Herden. Abraham erwirbt
sich den Acker Ephrons gegenüber der Stadt Hebron
vor versammeltem Volk für 400 Sekel Silber
„gangbaren Geldes“ als Erbbegräbniss (1.
Moses 23,16). Nach der Hungersnot, die zur Zeit Abrahams
herrschte, kam wieder eine Not zur Zeit Isaaks, der
deshalb von Kanaan nach Gerara zum König Abimelech
zog. Isaak säet hier im Jakob wurde im Dienste seines Schwiegervaters Laban ungemein reich an Herden, Mägden, Knechten, Kamelen und Eseln. Als er dann nach Kanaan zurückkehrt, zieht ihm sein Bruder Esau, der Ackerbauer, mit vierhundert Mann entgegen. Jakob siedelt sich zunächst in Salem an und kauft einen Acker, wo er seine Hütten aufschlagen konnte, für hundert Lämmer. Seine Niederlassung wurde geduldet und ihm und den Seinen gestattet, im Lande Gewerbe zu treiben und es zu bebauen, „da es weit und breit ist und der Ackersleute bedarf“ (1. Moses 34,21). Doch zog Jakob bald wieder nach anderen Gegenden des Landes. Da Jakob und Esau Fremdlinge waren in Kanaan und ihre Herden zu gross, um sich nebeneinander im Lande zu ernähren, zog Esau aus und liess sich auf dem Gebirge Seir nieder. Joseph, der Sohn Jakobs, wird von seinen Brüdern
für 30 Silberlinge „gereihten Geldes“ an
ismaelitische Kaufleute verkauft, die ihn nach Egypten
bringen. Hier deutet er einen Traum Pharaos dahin, dass
auf sieben fette Jahre grosser Fruchtbarkeit in ganz
Egypten sieben magere Jahre mit Hungersnot folgen werden.
Und sein Rat lautet in diesem Falle: „Man lasse den
fünften Teil der Ernte in den sieben Jahren der
Fruchtbarkeit, die zunächst kommen werden, in
königlichen Kornhäusern in den Städten
sammeln und aufbewahren.“ Damit sei ein Vorrat
für die Hunger In dieser Teuerung zog Jakob mit seiner Familie und
mit Allem, was sie mitnehmen konnten, aus Kanaan nach
Egypten, dem Brotgetreide nach. Joseph ging ihnen
entgegen und gab seinen Brüdern und der ganzen
Familie seines Vaters den Rat, zu Pharao zu sagen: sie
und ihre Väter seien immer Viehhirten gewesen, damit
sie im Lande Gosen wohnen dürften (1. Moses 46,1 bis
34). Und so kamen die Israeliten nach dem Lande Gosen,
das ihnen zu Eigentum vom Könige übergeben
wurde. Sie waren fruchtbar und vermehrten sich so, als
sprossten sie aus der Erde hervor. Sie wurden sehr stark
und bevölkerten das Land (2. Moses 1,7). Da erhob
sich ein neuer König in Egypten, der nichts von
Joseph wusste und die Gefahr, die für sein Volk in
der raschen Ausbreitung der Israeliten lag, zunächst
durch ihre Heranziehung zu harter Frohnarbeit mindern
wollte. Die Israeliten mussten Pharao die Vorrats Hier haben wir es mit der Gesetzgebung eines Volkes zu thun, dessen Geschichte weder eine hauswirtschaftliche noch eine stadtwirtschaftliche Entwickelungsepoche kennt, und das für eine oberflächliche Betrachtung als Hirtenvolk unter Jakob nach Egypten zieht. Joseph selbst giebt ihnen den Rat, auf Befragen Pharaos zu sagen: „Wir sind immer Viehhirten gewesen.“ Aber das sollen sie sagen, weil sie mit dieser Auskunft sicherer nach dem Lande Gosen kommen. Für sie selbst waren immer der Acker und dessen Produkte Mittelpunkt ihres wirtschaftlichen Lebens und Strebens. Getreide und Wein stehen an erster Stelle im Segen der Väter, wie im Gebet der Kinder. Diesem Volk hat Gott selbst ein Heimatland ausgesucht.
Und welche Eigenschaften hat dieses Land? Es ist keine
Insel, kein Land mit grossen schiffbaren Strömen und
günstig gelegenen Seehäfen. Es ist kein Land,
dessen Lage auf die Bestimmung hindeutet, an dem
internationalen Handel möglichst Teil zu nehmen. Es
ist ein kontinental gelegenes Land mit
Meeresküsten, die dem Handel ungünstig
sind. Aber es ist ein Land, da Milch und Honig
fliesst, und dessen fette Erde hundertfältige Frucht
bringt. In dieses Land wird das einem
Stammvater zugehörende Volk eingeführt, nachdem
es unter fremden Königen, im fremden Lande in
abhängiger Stellung zu einer grossen Zahl
herangewachsen war und sich aus dieser Abhängigkeit
nicht nur viel Gold und Silber, sondern auch reiche
technische Kenntnisse mitgenommen hat. Die Gesetze, die
zur Ordnung seines Gemeinwesens ihm in der Wüste von
Gott durch Moses gegeben werden, tragen sofort den
Charakter der volkswirtschaftlichen Epoche an sich, ohne
irgend Auch der andere Stolz unserer Nationalökonomie,
dass Adam Smith als Erster sein wirtschaftliches
Lehrgebäude auf die Arbeit gebaut habe, ist
eigentlich wenig begründet. Denn die mosaische
Gesetzgebung hat hier schon längst die
Priorität erworben und zwar in einer Weise, die von
Adam Smith nicht einmal erreicht wurde. Der mosaische
Staat war nicht nur auf die Arbeit der unteren
Volksmasse, sondern auf die Arbeit als allgemeine
Menschenpflicht, als göttliches Gebot gebaut. Schon
vom Anfang an war nach Moses die Bestimmung des
Menschen die Arbeit; aber nicht die Arbeit als
ununterbrochene Tag- und Nachtarbeit, sondern die Arbeit
mit Ruhepausen. „Sechs Tage sollst Du arbeiten, am
siebenten aber sollst Du ruhen“. Wie die Ruhe am
Sabbath, so ist die Arbeit an den sechs Wochen Die Arbeit war das Fundament, auf dem sich der
mosaische Staat aufbaute. Aber diese Arbeit war nicht als
Lohnarbeit im Dienste des Kapitals, sondern zuerst und
zuletzt als landwirtschaftliche Arbeit gedacht, als
landwirtschaftliche Arbeit auf eigenem Grund und
Boden, als bäuerliche Arbeit in echtem Sinne
des Wortes. Deshalb steht die Verteilung des
Grundbesitzes im Brennpunkte der mosaischen
Wirtschaftsgesetze. Die Mitglieder des
israelitischen Volkes waren Abkömmlinge eines
Stammvaters. Moses wählte deshalb das Prinzip der
Gleichheit der Ackerverteilung, aber nicht für den
Einzelnen, sondern für die Familien. Und die
Familien erhielten wieder ihren Grundbesitz nicht direkt
vom Staate, sondern vom Stamm. Die Aecker verteilte der
Staat an die 12 Stämme nach Massgabe der Zahl ihrer
Familien. An alle 12 Stämme? Nein. Dem Stamme Levi,
den Priestern, wurde kein Land angewiesen. Der Acker ist
nach dem mosaischen Gesetz nicht dazu da, den Interessen
der Kapitalisten und des Rentnertums zu dienen, selbst
dann nicht, wenn diese Aber die mosaische Gesetzgebung kümmert sich
nicht nur um die rechte Verteilung des Grundbesitzes, um
alles Uebrige zunächst dem laisser faire und laisser
passer zu überlassen. Die mosaische Gesetzgebung
sorgt vielmehr sofort in sehr umfassenden Bestimmungen
auch für die Erhaltung der einmal
gewählten Ackerverteilung. Hierher
gehört vor allem das ausdrückliche Verbot des
Freihandels mit Land. Der landwirtschaftliche Grundbesitz
ist nach dem mosaischen Gesetz keine Ware. „Ihr
sollt das Land nicht kaufen, denn das Land ist mein,
spricht Jehova, und Ihr seid Fremdlinge und Gäste
vor mir!“ (3. Moses 25,23.) Von dem
uneingeschränkten Recht des Gebrauches und des
Missbrauches ist hier nicht die Rede. Israel ist
gleichsam nur Erbpächter des Landes, das Gott
gehört und unveräusserlich ist. Um diesen
Grundgedanken bis in alle Details zu sichern und
auszuführen, sind eingehende Bestimmungen für
die Erhaltung der gewollten Grundbesitzverteilung
innerhalb des Stammes, des Geschlechtes, der einzelnen
Familien wie in der Hand des einzelnen Grundbesitzers
getroffen. Zur Erhaltung des Grundbesitzes innerhalb des
Stammes wird verfügt, dass Erbtöchter mit
Grundbesitz nicht ausserhalb des Stammes heiraten sollen.
Zur Erhaltung des Grundbesitzes innerhalb des
Geschlechtes dient das Institut der
Goelschaft. Musste jemand in Folge von
Verarmung Denen aber, die da mehr haben, als sie brauchen, und
ihren Volksgenossen in der Not leihen, wird streng
Kommt dennoch jemand in Not, so sehr, dass er sich nicht mehr zu helfen weiss, so ist in diesem Falle — und nur in diesem Falle — der Verkauf des Grundbesitzes dem Einzelnen gestattet. Aber damit er seinen Besitz wieder zurückerlange, ist auch dem früheren Eigentümer gleich dem Goel das Einlösungsrecht zugestanden, und zwar mit einer ganz bestimmten Unterscheidung von städtischem und landwirtschaftlichem Grundbesitz. Veräusserte Wohnhäuser in Städten, die mit einer Mauer umgeben sind, können nur im Laufe des ersten Jahres von ihrem früheren Eigentümer wieder zurückgekauft werden. Nach Ablauf des ersten Jahres gehen sie dauernd in das Eigentum des Käufers über. Beim landwirtschaftlichen Grundbesitz hingegen kann das Einlösungsrecht des früheren Eigentümers gegen den neuen Erwerber erst nach Ablauf von zwei vollen Nutzungsjahren ausgeübt werden. Hat eins dieser beiden Jahre wegen Dürre oder aus anderen Gründen dem neuen Besitzer keinen vollen Ertrag gegeben, so behält er den Acker noch ein weiteres Jahr. Von da ab aber kann das Einlösungsrecht des früheren Eigentümers jederzeit geltend gemacht werden. Da aber vielleicht alle diese Mittel und Wege zusammen
nicht ausreichen, die ursprüngliche Ackerverteilung
zu erhalten, ist noch die Institution des Jobel-
oder Halljahres eingesetzt, dessen Feier alle 50
Jahre stattfinden soll und die völlige restitutio in
integrum der im Laufe der Zeit verschobenen
Besitzverhältnisse bezweckt. „Das ist das
Halljahr, da jedermann wieder zu dem
Seinen kommen soll“ (3.
Moses 25,13). Alle verkauften Grundstücke fallen zu
diesem Zeitpunkt unentgeltlich an den ehemaligen
Eigentümer zurück. Damit aber auch der Die Armen und Unglücklichen, die es trotzdem geben wird, haben folgende selbständige Rechte auf den Ertrag der Felder: Zunächst ist jedem Volksgenossen unverwehrt, in das Feld oder in den Weinberg des Nächsten zu gehen, um seinen Hunger zu stillen. Beim Abernten der Felder, der Weinberge und Obstgärten soll acht darauf gegeben werden, dass ein Hungernder Etwas finden könne. Die Aehren, die beim Einsammeln zu Boden fallen, gehören den Armen; ebenso die Garben, die auf dem Felde vergessen wurden. Was im Schemittajahr die Felder freiwillig geben, gehört den Armen. In dem dritten Erntejahr müssen die Besitzenden den Armen-Zehnt geben. „Am Ende vom dritten Jahre bringe heraus allen Zehnten Deines Ertrages in demselben Jahre und lass ihn liegen in Deinem Thore. Und es komme der Levit, denn er hat keinen Anteil am Land und kein Erbe mit Dir; und der Arme, die Waisen und Wittwen; und sie sollen essen und sich sättigen“ (5. Moses 14,28). Auch ist im Tempel eine besondere Kammer, in der Almosen für verschämte Arme hinterlegt werden, die „Zelle der Verschwiegenen“. Endlich ist allgemein die Pflicht der Armenunterstützung eingeschärft. Wenn wir also die Verteilung des Ertrages der Felder
mit der Ansammlung von Getreidevorräten nach
mosaischem Recht im Ganzen überschauen, so
zerfällt die 50 jährige Jobelperiode in sieben
Jahrwochen. In jeder ist das siebente Jahr ein Brachjahr,
wo nicht gesäet und nicht geerntet werden darf, also
die Abgaben von den Feldfrüchten auch Wer aber arm geworden war, weil er seinen Grundbesitz
verkaufen musste, und dabei gesund und kräftig war,
der konnte sich das immer harte Brot der Armut durch
Arbeit ersparen. Keine Arbeit war für ihn entehrend,
sie mochte noch so niedrig und gering sein. „Ziehe
einem gefallenen Tiere auf der Strasse das Fell ab, wenn
Du damit Deinen Unterhalt verdienen kannst, und sage
nicht: ich bin ein Priester, bin ein angesehener Mann,
und eine solche Arbeit ist für mich
entwürdigend“ (Talmud Pesachim 113a). Als
Arbeiter war der arm gewordene Grundbesitzer nach dem
mosaischen Recht nicht in das Proletariat hinabgestossen,
aus dem es kein Emporkommen mehr giebt. Er gehörte
nicht zu den Enterbten. Für ihn galt nicht die glatt
schematische Behandlung als Lohnarbeiter. Das mosaische
Recht kennt vielmehr neben dem Lohnarbeiter als
Tagelöhner, Knechte und Mägde auf
Zeit und Knechte und Mägde auf
Lebensdauer. Und diese mosaische
Arbeiterpolitik kennt insbesondere noch in hohem Masse
die Sorge Dem Tagelöhner soll der Lohn an jedem Abend ausgezahlt werden. Knechte und Mägde auf Zeit waren auf sieben Jahre gebunden und wurden erst im siebenten Dienstjahre wieder frei, es sei denn, dass man sich mit entsprechender Entschädigung bei seinem Herrn loskaufte. War die Dienstzeit zu Ende, so sollte der Herr seine Knechte nicht leer ziehen lassen, sondern ihnen auflegen von seinen Schafen, seiner Tenne und von seiner Kelter. Das Verhältnis als lebenslänglicher Knecht und als lebenslängliche Magd konnten die Israeliten nur freiwillig eingehen. Es gab keinen öffentlichen Verkauf von israelitischen Sklaven auf dem Markte, es sei denn, dass Jemand vom Gericht für Diebstahl, den er begangen und nicht ersetzen konnte, verkauft wurde. Das Dienstverhältnis auf Lebensdauer war keine Entwürdigung der Person. Das beweisen die Ehen zwischen Knechten auf Lebensdauer und den Töchtern des Herrn. Auch war den Herren Misshandlung ihrer Dienstboten untersagt. Züchtigungen, die den Verlust eines Gliedes, wenn auch nur eines Zahnes, zur Folge hatten, gaben dem Knechte auf Lebensdauer sofort die Freiheit. Die Ermordung eines Knechtes wurde mit dem Tode bestraft. Es darf ihnen keine Arbeit zugemutet werden, die dem Herrn keinen Nutzen bringt. Der Herr ist verpflichtet, auch Weib und Kind des Knechtes zu unterhalten. Auch für die auf Lebenszeit angestellten Dienstboten gilt das Recht des Loskaufs. An allen Freudenfesten des Volkes und an jedem Opfermahl des Herrn sollen sie teilnehmen. Die Sabbathruhe gilt auch für die Dienstboten. Und das Jobeljahr bringt allen, ohne jede Entschädigung des Herrn, die Freiheit nicht blos, sondern auch ihren Grundbesitz zurück.
Wie lautet nun dieser mosaische
Grundwertbegriff? Wir haben gesehen, in wie
konsequenter Weise Moses einen gesetzlichen Schutzwall um
seine Getreidefelder Und wie wirkt dieser Grundwertbegriff auf die
Möglichkeit der Rückkehr des arm gewordenen
Grundbesitzers in die Reihen des Mittelstandes?
Angenommen, ein Mann müsste 20 Jahre vor dem
Jobeljahr seine Aecker aus Not verkaufen, so erhält
er die entsprechende Anzahl von Jahresernten (achtzehn,
weil noch zwei Schemittajahre fallen) im Grundpreise
bezahlt. Wenn nun aber der frühere Grundbesitzer
nach zehn Jahren etwa sich so viel durch Arbeit verdient
hat, dass er von seinem Rückkaufsrecht Gebrauch
machen kann, dann muss er nach dem mosaischen Recht nur
noch die Hälfte von dem zahlen, was der Käufer
All diese agrarischen Gesetzesbestimmungen sind bei Moses nicht etwa nebensächliche Dinge. Sie werden vielmehr ausdrücklich mit den zehn Geboten auf genau dieselbe Stufe gestellt. Auf ihrer Befolgung ruht derselbe Segen. Und man darf deshalb sagen, dass der materielle und sittliche Wohlstand eines Volkes nach Moses mit dem Blühen und Gedeihen des Ackerbaues und der Ackerbauern zusammenfällt. Die Uebertretung und Nichtbeachtung dieser agrarischen Gesetze aber belegt Moses mit demselben Fluche wie den Abfall vom Glauben Gottes und die Blutschande: Verödung und Unfruchtbarkeit des Ackers, Vertreibung aus dem Lande und Untergang des Staates und seiner Kultur werden jene treffen, die gegen diese Gesetze sündigen. Das Land Kanaan, das sich das israelitische Volk eroberte, hatte eine Grösse von etwa dreihundert Quadratmeilen. Der Küstenstrich, soweit er Häfen besass, blieb in den Händen der Handel treibenden Phönizier und Philister. Auch die Städte des Landes wurden noch lange von den ebenfalls Handel treibenden Kanaanitern gehalten. Die Israeliten ergriffen das platte Land, das guten Boden hatte und reich war an Wasserbächen, Seen und Quellen, die in den Bergen und Thälern entsprangen, und das sich durch günstige klimatische Verhältnisse auszeichnete. Freilich war auch hier die Fruchtbarkeit keine freiwillige. Die Wüste frass um sich, wo ihr nicht entgegengearbeitet wurde. Aber „der Schweiss des Angesichts“ that Wunder. Die terrassierten Berge waren mit Wein und Oliven bedeckt. Die Thäler und Ebenen trugen Weizen und Gerste in Fülle. Der reiche Pflanzenwuchs der Gebirge, des Baskan-Karmel u.s.w., machte die Viehzucht zu einer der einträglichsten Beschäftigungen. So winkte in dem Lande, da Milch und Honig floss, der unverdrossenen Arbeit reicher Lohn. Wie das Land von den Stämmen erobert wurde, ist
es gleichmässig unter die waffenfähigen
Männer verteilt worden. Die Kämpfe mit den
Eingeborenen und gegen die feindlichen Nachbarvölker
dauerten fast dreihundert Jahre. Trotzdem wird nur einmal
in einer an kriegerischer Bedrängnis besonders
reichen Zeit, in der Periode der Richter, von einer
Hungersnot im Lande berichtet. Sonst war die
ökonomische Lage des Volkes, trotz aller
Kämpfe, eine recht befriedigende. Immer wieder
kehrten die in den Waffen geübten Bauern gern zum
Pfluge zurück. Der Acker gab ihnen reichlich, was
sie brauchten. Er gab Als selbständige Handwerker waren in dieser Periode nur Töpfer und Schmiede erwähnt. Alle übrigen Bedürfnisse deckten sich die bäuerlichen Wirte selbst durch ihrer Hände fleissige Arbeit. Ein Teil dieser Erzeugnisse des Hausfleisses scheint sogar Gegenstand des Handels gewesen zu sein. Denn es heisst von der isreaelitischen Hausfrau: „Sie suchet sich Wolle und Flachs und arbeitet nach der Kunst ihrer Hände. Sie macht Hemden und verkauft sie und liefert Gürtel an die Kanaaniter.“ Der ganze Zwischenhandel ruht so ausschliesslich in den Händen der Kanaaniter, dass dieser Name allmählich mit dem Begriff „Krämer“ und „Krämervolk“ identisch wurde. Die Sitten und Gebräuche waren einfach. Die Steuern und Abgaben bestanden ausschliesslich in Naturalleistungen. Arme und Reiche gab es nicht. Ein jeder lebte unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum. König Saul kommt noch „hinter den Rindern vom Acker heim“. David wird von dem Felde, wo er Schafe weidete, herbeigeholt, um zum Könige gesalbt zu werden. Und so sehr lebt dieses Volk im Geiste der mosaischen Gesetze, dass Gideon, nachdem er die Midianiter besiegt und reiche Beute an goldenen Ringen, Halsketten und Purpurgewändern gemacht hatte, aus dem Gold der Ringe dem Herrn ein Dankesdenkmal errichtete. Diese Zustände und Verhältnisse beginnen
sich langsam zu verändern mit der Einführung
des Königtums durch das Volk zum Zwecke der
Beendigung seiner kriegerischen Bedrängnis.
Samuel hat diese Entwickelung zutreffend
vorausgesagt: „Der König wird Euch Eure
Söhne nehmen zur Gefolgschaft seiner Würde, zum
Ehrengeleite zu Ross oder als Vorläufer zu Fuss,
auch seine Aecker werden sie Ernster schon wird das Bild der volkswirtschaftlichen
Entwickelung unter dem König David. In
glücklichen Kämpfen gegen die feindlichen
Nachbarländer dehnt er sein Reich bis ans westliche
Meer und bis an den Euphrat und vom Fusse des Libanon bis
ans Schilfmeer aus und gewinnt die Herrschaft über
Damaskus, Elath und Eziongeber am Roten Meer. Aber seine
Wirtschaftspolitik gehörte nicht den Bauern und der
Landwirtschaft, sondern den städtischen Interessen
und namentlich der Hauptstadt Jerusalem. Ein
grosser Teil der Schätze, die in den
glücklichen Kriegen erbeutet wurden, werden zwar
für das in Jerusalem zu errichtende
Nationalheiligtum reserviert, aber König David
gefällt sich doch auch selbst in der Rolle eines
grossen Diese bedenklichen volkswirtschaftlichen
Verschiebungen in Israel zu Gunsten der Alleinherrschaft
des Geldes, die unter Saul mit ganz bescheidenen
Anfängen begonnen und unter David schon einen
bedenklichen Grad der Steigerung erreicht hatten, kommen
unter dem jetzt folgenden König Salomo
zu einer so vollständigen Durchbildung, dass damit
der Höhepunkt der wirtschaftlichen Entwickelung des
Landes schon wesentlich überschritten wird. An
modernen volkswirtschaftlichen Begriffen gemessen, war
Salomo ein Durch eine Heirat knüpft er mit dem egyptischen
Hofe Beziehungen an und wusste sich das höchst
einträgliche Handelsmonopol für
egyptische Rosse und Kriegswagen nach den
Euphratländern zu sichern. Mit Hilfe seiner
Freundschaft zu Hiram, dem König der Phönizier,
baut und rüstet er eine Handelsflotte
zu den berühmten Fahrten nach dem Goldland
Ophir. Dazu kommt der Tribut der
unterworfenen Völker. Und endlich wurde auch die
Steuerschraube im eigenen Lande immer
kräftiger angezogen. Zu diesem Zwecke nahm er eine
Neueinteilung des Landes in zwölf Kreise vor, an
deren Spitze er, zur Steuereintreibung, zwölf
Satrapen stellte, deren Amt — natürlich auf
Kosten des steuerzahlenden Volkes — so
einträglich war, dass mehrere Schwiegersöhne
des Königs damit betraut wurden. Die Steuern und
Abgaben waren immer noch überwiegend Naturalabgaben.
Die engen Beziehungen zum König Hiram boten ja eine
günstige Gelegenheit, Getreide und Oel in Gold zu
verwandeln. Und wenn diese Naturallieferungen die
Goldschulden bei Hiram nicht deckten, dann scheute sich
auch Salomon nicht, ganz so wie seine merkantilistischen
Kollegen am Ausgang unseres Mittelalters, eine Anzahl
seiner Städte zu verkaufen. Salomo war also auch ein
grosser Getreidehändler. Um nun diesem Handel sowohl
als auch der Versorgung der Städte eine festere
Basis zu geben, errichtete er eine Reihe von
staatlichen Getreidelagerhäusern. All
diese reichen Zur Blüte kam unter solchen Verhältnissen vor Allem der Handel, und zwar sowohl der Grosshandel wie auch das Geschäft der Geldwechsler und Geldverleiher. In Jerusalem war jetzt eine Zunft von solchen phönizischen Händlern angesiedelt. Im Interesse des Handels hat auch Salomo das Münzwesen verbessert. Zur Blüte kam ferner das Luxus- und Baugewerbe. Und wie immer in Zeiten grosser Gründerthätigkeit, so steigen auch jetzt mit dem zunehmenden Luxus und mit dem Anwachsen der Geldgewinne die Preise der Produkte aller Art; deshalb repräsentiert dieselbe Geldsumme einen immer geringeren Sachwert. So erhielt vor Gründung des Königtums ein Priester für den Jahresdienst 10 Sekel Silber nebst Nahrung und Kleidung. Dagegen scheint Salomo den Hütern seiner Weinberge einen Jahreslohn von 200 Silbersekeln gezahlt zu haben, während der Preis für ein egyptisches Ross 150, für einen egyptischen Streitwagen 600 Silbersekel war. Wir haben es also jetzt mit völlig ausgebildeten geldwirtschaftlichen Verhältnissen zu thun, und zwar mit der Herrschaft des Goldes — „Silber wurde für nichts geachtet“.
Reichtum und Armut waren mit Salomo in Jsrael
eingezogen. Der Reichtum gehörte ihm und Allen, die
mit ihm an seinem Tische assen oder an seinen
Geldgeschäften Teil hatten. Zur Armut gehörten
zunächst die Kanaaniter, die man zu Staatssklaven
gemacht hatte. Zur Armut gehörten aber auch bald die
israelitischen Bauern, die man durch Steuern und
Frohndienste aller Art ausgeraubt hatte, um sie dann den
Getreidehändlern und Geldverleihern Schon die Regierung Davids hat Israel über die Höhe seiner wirtschaftlichen Entwickelung weggeführt. Die salomonische Regierung aber führte Israel in raschem Tempo dauernd abwärts. Wer sich an der Erkenntnis dieser Thatsache durch das gar glänzende Kleid täuschen liess, das man dabei zur Schau trug, den musste das rasche Abbröckeln dieser glänzenden Hülle an dem vom Kapitalismus befallenen volkswirtschaftlichen Körper eines Besseren belehren. Kaum war Salomo tot, so machten sich die zinsbar gewesenen Völkerschaften der Philister und Idumäer wieder frei; ihre Tributleistungen hörten auf. Auch die Goldquelle aus Ophir versiegte, da der überseeische Handel sofort ins Stocken gekommen war. Und das einst so ertragreiche Handelsmonopol mit egyptischen Rossen und Kriegswagen wurde durch die feindliche Haltung des nördlichen Königreichs Israel gegen Juda unterbunden und wertlos. An die Stelle der Handelsbeziehungen mit Egypten trat das Vasallen- und Tributverhältnis. Auch die übrigen Nachbarländer machten jetzt gelegentliche Raubzüge in das Land, in dessen Grenzen nur zu häufig der Bruderkrieg wütete. Der religiöse und opferwillige Sinn war so sehr aus dem Volke gewichen, dass bald nicht mehr die Mittel für die notwendigste Erhaltung des salomonischen Prachttempels freiwillig aufgebracht wurden. Die Merkantilpolitik Salomos hatte den
Schwerpunkt der Entwickelung vom Inlande nach dem
Auslande verlegt. Statt den heimischen Acker zu
pflegen, hat er auf ausländischen Märkten und
in Handelsbeziehungen aller Art dem Golde nachgejagt und
die Saat der Unzufriedenheit in die Reihen seiner
Landwirte Es handelt sich nämlich hier um eine Periode, in
der die Getreidepreise im kleinasiatisch-griechischen
Handel fast fortwährend stiegen. Zur Zeit der
Richter diente das Getreide noch fast nur zur
Ernährung des Volkes, und nur gelegentlich wurden
für besondere Zwecke Ueberschüsse verkauft.
Schon David aber hatte einen schwunghaften
regelmässigen Getreideexport eingerichtet und damit
das Brotgetreide zu einer Handelsware degradiert. Salomo
hatte diesen Getreideausfuhrhandel durch Errichtung
staatlicher Lagerhäuser fester organisiert und durch
den Bau von Staatsstrassen den Transport erleichtert.
Nachfrage nach Getreide machte sich dauernd geltend. Also
musste die nationale Getreideproduktion thunlichst
gesteigert werden: nicht, um das Volk mit Brot zu
versorgen, auch nicht, um es wohlhabend zu machen,
sondern nur, um den Reichtum der Aeltesten und
„Geldfürsten“ von Auf ungünstige äussere Verhältnisse brauchte man nicht lange zu warten. Von einer Reihe von Hungersnöten wird berichtet. Jetzt mussten die Bauern das Letzte bringen, was sie an beweglicher Habe hatten. War der mobile Besitz zu Ende, dann kam das Schuldenmachen an die Reihe; es folgten die Felder und Weinberge und schliesslich der Bauer selbst mit seiner Familie als Sklaven. Wo sich das Alles mit Hilfe des heidnischen Kreditrechtes im freien Verkehr nicht erreichen liess, da half Lug und Trug im Handel, oder man brauchte, nach dem Vorbilde Ahabs gegen Naboth, Gewalt, — und die Richter des Volkes schwiegen oder waren sogar Helfershelfer. Wie mit dem Getreide, so wurde es auch mit Oel und Wein gehalten. Immer aber war das Ende der Entwickelung: die Bildung von Latifundien in der Hand von wenigen Grosskapitalisten, mit völliger Verarmung des Volkes und dessen Herabsinken auf die Stufe der Hörigen und Leibeigenen, um desto billiger das Getreide für die Grosskapitalisten und deren Exporthandel zu bauen. Diese unheilvollen Vorgänge erwecken die
hervorragendsten Vertreter der alten
Prophetenschule. Aber ihre gewaltige Sprache
bleibt nicht an Amos: „Hört Ihr, die Ihr
aufhäuft Gewaltthat und Raub in Euren Palästen,
die Ihr auf gepfändeten Kleidern Euch hinstreckt vor
jeglichem Altar und den Wein der Gebüssten trinket
im Hause Gottes — höret dies Wort, Ihr fetten
Kühe auf Samarias Berg, die Ihr die Dürftigen
drücket und die Armen zermalmet; die Ihr sprechet zu
Euren Herren: „Schaffet herbei, dass wir
zechen“, die Ihr schlafet auf elfenbeinernen Betten
und schwelget auf Euren Lagern, Lämmer esset von der
Herde und Kälber aus dem Mastvieh, die Ihr singet
zum Klang der Harfe, die Ihr Wein trinket und Euch mit
dem besten Oel salbet, aber um den Schaden Josef’s
Euch nicht kümmert. Ihr, die Ihr die Armen zertretet
und aussauget die Dürftigen des Landes, sprechend:
Wann ist der Neumond vorüber, dass Jesaias: „Der Ewige geht in’s Gericht mit den Aeltesten seines Volkes und seinen Fürsten: Ihr habt ja abgeweidet den Weinberg, der Raub der Armen ist in Euren Häusern, was habt Ihr mein Volk zu zertreten und das Angesicht der Armen zu zermalmen? Wehe denen, die Haus an Haus rücken, Feld an Feld reihen, bis kein Platz mehr ist und sie allein die Bewohner im Lande bleiben! Voll ist das Land von Silber und Gold, und seiner Schätze ist kein Ende; voll ist sein Land von Rossen, und zahllos sind seine Wagen. Meine Richter sind Abtrünnige und Diebesgenossen. Sie nehmen gern Geschenke an und laufen den Bezahlungen nach; den Waisen verschaffen sie nicht Recht und die Sache der Wittwen kommt nicht vor sie. Wehe Euch, die Ihr den Gottlosen Recht gebt um der Geschenke willen, und dem Gerechten sein Recht nehmet! Eitel Lüge ist, was die Rechtsgelehrten sagen. Aber wehe denen, die Satzungen des Unrechts aufsetzen, und den Schreibern, die Unthat niederschreiben, um zu beugen das Recht der Armen und zu rauben die Gebühr der Dürftigen meines Volkes, dass Wittwen ihre Beute werden, und sie die Waisen plündern.“ Micha: „Sollte ich gut heissen
ungerechte Wege und trügerisches Gewicht im
Säcklein, wodurch Ihr Reichen voll Unrechtes werdet?
Ihre Einwohner reden Lüge, und Jesaias: Euer Land ist verwüstet, Eure Städte sind mit Feuer verbrannt, Eure Felder fressen Fremde vor Euren Augen, und sie werden verwüstet durch feindliche Verheerungen. Wahrlich, die vielen Häuser sollen Wüste werden, die grossen und schönen ohne Bewohner sein; 10 Joch Weinberg sollen nur einen Eimer geben und 30 Scheffel Samen nur 3 Scheffel bringen. Dann werden die Lämmer nach ihrer Weise weiden, und die Fremden die Früchte der Felder geniessen. Jeremias: Ich will Deine Schätze und Reichtümer zum Raube geben ohne Ersatz um all Deiner Sünde willen und in all Deinen Grenzen. Jesaias: Der Gerechte wird vom Herrn behütet, dass nichts über ihn komme. Es wird geschehen an dem Tage, dass Jedermann, der eine Kuh und zwei Schafe behalten wird, um des Ueberflusses der Milch willen Butter isst; denn Butter und Honig wird jeder essen, der noch im Lande geblieben ist. An jenem Tage wird ihm der Weinberg des edlen Weines Lob singen. Deine Ochsen und Edelfüllen, die das Land bauen, fressen gemengtes Futter, so wie es gewerfelt worden auf der Tenne. Auf jedem hohen Berge, auf jedem erhobenen Hügel sind Bäche strömender Wasser, am Tage des grossen Morgens, wenn gefallen die Türme. Ist’s nicht noch eine kleine Weile, so wird der Libanon in einen Karmel verwandelt und den Karmel wird man für eine Wildnis halten. Amos: Siehe es kommen die Tage, spricht
der Herr, da holt der Pflüger den Schnitter ein und
der Traubenkelterer Diese Strafpredigten der Propheten hatten zwar den Erfolg, dass wiederholt einer der Könige den Götzendienst mehr oder weniger vollständig verbot, dass unter dem Könige Zidkijah der Versuch gemacht wird, die Sklaverei aufzuheben und dass man die Steuern und Lasten auf den Schultern der Landwirte erleichterte. Aber die Geldfürsten von Juda und ihre Interessen durften die Könige nicht antasten. Der Macht des Geldkapitals gegenüber war das Königtum zu einem Schatten herabgesunken. Es kam deshalb jetzt auch nicht mehr zu einer Rückkehr zu den mosaischen Wirtschaftsgesetzen. Und deshalb blieb jede Aufhebung des Götzendienstes an der Oberfläche der Erscheinungen hängen und wurde nur zu rasch immer wieder von den heidnischen Formen verdrängt. Die alte kriegerische Kraft des Volkes, die vor Salomo fast 500 Jahre lang gegen eine feindliche Welt siegreich gekämpft hatte und dabei wohlhabend geblieben war, ist nach dem Niedergange des Bauernstandes gebrochen. Die Zins- und Tributpflicht an das Ausland nimmt immer grössere Dimensionen an. Auch die Frohndienste werden, wo es immer geht, vermehrt. Wehrlos bleibt das Volk der Ausbeutung durch das Grosskapital überlassen. Die Flucht der Bevölkerung aus dem Lande wird immer grösser. Und kaum 250 Jahre nach dem Tode Salomos fällt das Reich Juda in die babylonische Gefangenschaft, nachdem das Reich Israel schon vorher der assyrischen Eroberung völlig erlegen war. Die verhältnismässig kleine Schaar der Juden, die aus der babylonischen Gefangenschaft nach Kanaan zurückkehrte, begann die Neubesiedlung des Landes auf den Trümmern Jerusalems und seiner Umgebung. Land war genug für sie da. Die Grundbesitzverteilung bot deshalb keinerlei Schwierigkeiten. Aber der Boden war sechzig Jahre lang fast ohne jede Kultur geblieben. Er hatte jetzt zu lange geruht, nachdem die Habgier der Menschen ihm vorher zu wenig Ruhe gegönnt hatte. Es war harte Arbeit, die Aecker wieder fruchtbar zu machen. Das Reich Juda war politisch nicht mehr
selbständig. Es stand unter der Oberhoheit
zunächst des Perserkönigs, dann unter der
Alexanders des Grossen, später unter Egypten und
nachher unter den Syrern. Es musste deshalb Tribut in
Zöllen und Steuern geliefert werden, deren Erhebung
an Unternehmer verpachtet wurde. Hier liegen sofort
wieder die Saatkeime des Kapitalismus. Auch die Ausfuhr
von Oel und besonders von Getreide beginnt wieder in
alter Weise, ohne Rücksicht auf Notreserven. Und als
dann jedes ungünstige Erntejahr dem
Getreideexportland Hunger bringt, da beginnt auch, genau
so wie vor dem Exil, die systematische Ausbeutung des
Volkes. Die Bibel berichet darüber: „Und es
erhob sich ein grosses Geschrei des Volkes und ihrer
Weiber wider ihre Brüder, die Juden. Es waren aber
solche, welche sagten: Unsere Söhne und Töchter
sind überaus viele. Wir wollen Getreide für
ihren Wert nehmen und essen, dass wir leben. Und es waren
welche, die sagten: Wir wollen unsere Aecker und
Weinberge und unsere Häuser verpfänden, um
Getreide zu bekommen in der Hungersnot. Und andere
sprachen: Wir wollen Geld entlehnen zur Steuer des
Königs und unsere So war also kaum hundert Jahre nach der Rückkehr aus dem Exil schon eine allgemeine Schuld-, Zins- und Knechtschaftsbefreiung notwendig geworden. Jetzt erholt sich der Wohlstand des Volkes rasch. Die Bevölkerung nimmt mit starker Progression zu. Jerusalem wird wieder bevölkert und aufgebaut. Und das Reich Juda ist für Kriegsaushebungen Alexander des Grossen eine fast unerschöpfliche Menschenquelle. Aber mit der Herrschaft des Hellenismus
beginnen die Reichen und Steuerpächter von Juda bald
wieder, die mosaischen Wirtschaftsgesetze ausser Acht zu
lassen. Sofort zeigen sich Latifundien mit völliger
Verschuldung und Abhängigkeit der Bauern. Von der
Ausbeutung des Volkes durch den Kapitalismus sagt deshalb
Jesus Sirach: „Welchen Frieden
hält die Hyäne mit dem Hunde und welchen der
Reiche mit dem Armen? Jagdbeute der Löwen sind die
Waldesel in den Steppen; so sind die Armen eine Weide der
Reichen.“ Von den Mahnungen an die sinaitischen
Gesetze wollen die Reichen nichts wissen. Deshalb beginnt
unter ihnen jene antinationale Bewegung zu
Gunsten einer Aufhebung des nationalen Glaubens und der
nationalen Gesetze durch An Im Geiste dieser Bewegung und begünstigt durch
die Zwietracht des Volkes erliess der Oberherr
Antiochus Epiphanes den Befehl, bei
Todesstrafe das mosaische Gesetz und den mosaischen
Glauben aufzugeben für das heidnische Gesetz und die
heidnischen Gebräuche. „Viele aus Israel
willigten in seinen Frohndienst und opferten den
Götzen und entweihten den Sabbath.“ Auch der
reiche Alcimus, der nach der käuflich gewordenen
Hohepriesterwürde strebte, hielt es mit den Syrern.
Und als die Heere der Syrer in Palästina
einrückten und die reichen Kaufleute es hörten,
da nahmen sie sehr viel Silber und Gold und Knechte und
kamen in das Lager der Syrer, „um die Söhne
Israels als Sklaven zu verkaufen“ (1.
Makkabäer 3,41). Der verarmte
Mittelstand aber war mit den
Makkabäern hinab in die Wüste
gezogen und hatte dort die Fahne gegen den anscheinend
übermächtigen Feind für Gesetz und
Religion der Väter erhoben. Die kleine, vom
Idealismus getragene Schaar siegte, befreite das
Vaterland vom Fremdenjoche und eroberte noch die an
Zöllen reiche Hafenstadt Joppe. Die Reichen werden
mit ihren Freunden, den Syrern, geflohen sein. Das Volk
erneuerte den Bund mit Jehova und kehrte zu den
mosaischen Wirtschaftsgesetzen zurück. Der Sabbath
und das Schemittajahr wurden streng gefeiert. Die
Schuldzinsen hörten auf. In jedem siebenten Jahre
wurden alle Schulden erlassen Neuer Bruderzwist wird zur Veranlassung, dass
Rom sich in die internen Verhältnisse
des Reiches Juda einmischt. Palästina
wird eine römische Provinz mit
römischer Provinzialsteuerverfassung und
römischer Ausbeutung. Es wurde der römische
Census eingeführt, d. h. die Volkszählung
aufgenommen und die Ländereien abgeschätzt, um
die Steuerfähigkeit des Landes zu ermitteln.
Für jede Person sollte eine Kopfsteuer erhoben
werden und zwar selbst für Frauen und Sklaven; nur
weibliche Kinder unter zwölf, männliche unter
vierzehn Jahren und Greise sind steuerfrei. Ausserdem
wurde noch eine Einkommensteuer gefordert: von den
Viehzüchtern ein Teil der Herde, von den
Getreidebauern ein Teil der Ernte (Annona). Auch wurden
Aus- und Eingangszölle erhoben. Wie drückend
und verhasst dieses römische Steuersystem war,
beweist zur Genüge der Umstand, dass Jeder, der sich
als Steuerpächter oder Zöllner dabei
beteiligte, für ehrlos galt. Mit dieser
römischen Ausbeutung wetteiferten die weltlichen und
geistlichen Grossen Jerusalems. Der Handel mit Oel und
Getreide nimmt wieder seinen alten Aufschwung.
Cäsarea wird zum Hauptemporium des
Handels und der römischen Macht in Palästina.
Sofort wird auch das Land wieder von schweren
Hungersnöten heimgesucht. Und die bekannten
wirtschaftlichen Vorgänge, die sich auch diesmal
hier anreihen, veranlassen den Apostel
Jacobus Die Macht des römischen Weltreiches war offenbar
zu stark, als dass der Glaube an die nationale Zukunft
jetzt noch einmal aufkommen und sich wieder mit den
Interessen des ausgebeuteten Volkes gegen Rom und die
grosskapitalistischen Römerfreunde vereinigen
konnte. Die unausbleibliche Reaktion nahm deshalb die
Entartungsformen des Kommunismus und
Anarchismus an. Fast keiner der Könige starb
mehr eines natürlichen Todes. Die
Essäer, deren Zahl auf 4000 angegeben
wird, verwarfen mit der Ehe auch das Privateigentum.
Jeder, der dieser Gesellschaft beitrat, übergab sein
Vermögen der Ordenskasse, aus der die
Lebensbedürfnisse der Mitglieder bestritten wurden.
Freischaaren durchzogen das Land und überfielen die
Reichen, um ihnen allen möglichen Schaden
zuzufügen. Aus Raub und Mord wurde ein Handwerk
gemacht, seit die redliche Arbeit nicht mehr lohnend
schien. Diese Räuber nannte man
Sikarier, nach dem kurzen Dolche, mit denen
sie bewaffnet waren. Als der geldgierige Gessius
Florus römischer Landpfleger war, traten die
Sikarier mit ihm in Verbindung, um auf gemeinsame
Rechnung die Reichen desto besser brandschatzen zu
können. Auch den Grundbesitz nahmen sie ihnen ab und
verkauften ihn an Andere. Und damit diese Art von
Eigentumsübertragung rechtliche Gültigkeit
hatte, musste das Synedrium eine diese Art von
Grundeigentumserwerb *) G. Ruhland „Das natürliche Wertverhältnis des landwirtschaftlichen Grundbesitzes“, Tübingen 1884. |
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